Wir erhalten oft Anfragen von Eltern, wie sie ihrem Kind bei Lese-Rechtschreib-Problemen am besten helfen können. Die Eltern sind dabei nicht selten mit den schulischen Problemen der Kinder überfordert. Wir wollen dieser Frage in diesem Aufsatz nachgehen.
Es gibt verschiedene Gründe, warum Eltern mit Schulkindern verzweifelt nach einer Hilfe für ihr Kind suchen, um die Schwierigkeiten in der Schule bewältigen zu können. Die Lehrer sind oft sehr unterschiedlich qualifiziert, um frühe Auffälligkeiten im Schriftspracherwerb richtig zu erkennen. Ein weiteres Problem ist die Aufklärung der Eltern und der Schulen über die möglichen Probleme, die es beim Lesen und Schreiben bei Schülern geben kann. Nicht jede schlechte Note im Fach Deutsch muss eine Lese-Rechtschreib-Schwäche bedeuten. Es können auch vorübergehende Leistungsschwankungen oder gar didaktische Probleme sein, die dem Kind ähnliche Schwierigkeiten bereiten, wie wir sie bei Kindern mit LRS oder Legasthenie kennen. Erfahrungsgemäß sind die LRS-Feststellungsverfahren an den Schulen ungenau.
Denn man berücksichtigt nicht die Ursachen dieser Schwächen, sondern testet nur die Symptome der Leistungen im Lesen und Schreiben sowie die Intelligenz selbst. Ein wichtiger Fehlerfaktor kann sein, dass die Kinder in Gruppen getestet werden. Eine verlässliche Testung erfordert Einzeltestungen – bei Gruppentests kann es zu Verzerrungen der Ergebnisse kommen. Ein weiterer Faktor ist, inwiefern die Testverfahren aktuell sind und eine repräsentative Stichprobe aufweisen. Werden diese Faktoren bei einer Förderdiagnostik nicht berücksichtigt, kann es zu Fehleinschätzungen kommen. Nach unserer Einschätzung werden diese Kriterien an Schulen selten erfüllt, daher ist von einer hohen Fehleinschätzungsquote auszugehen. Deswegen werden Kinder immer wieder falsch eingeschätzt und die Ursachen der Probleme werden häufig verkannt. So erleben wir es in Dresden und Umland, dass Lese-Rechtschreib-schwache Kinder im LRS-Feststellungsverfahren nicht richtig erkannt werden.
Sollten sich Kinder über einen längeren Zeitraum mit dem Erwerb des Lesens und Schreibens schwertun, ist es ratsam sich professionelle Hilfe zu suchen. Im Vorfeld sollten alle medizinischen Voruntersuchungen eine Erkrankung der Augen und Ohren ausschließen. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten haben in der Regel nichts mit organischen Erkrankungen der Sinnesorgane zu tun. Diese können zwar auch den Erwerb des Lesens und Schreibens beeinträchtigen, hierbei handelt es sich aber um andere Krankheiten, die mit anderen Lernbeeinträchtigungen zu tun haben können. Man spricht von einer Legasthenie, wenn die Schwierigkeiten häufiger in der Familie vorkommen und die Intelligenz durchschnittlich normal ist. Statistisch gesehen trifft dies bei rund 50 – 60 Prozent aller Lese-Rechtschreib-Schwächen zu, wie es sich auch in der forschenden Praxis in unserer Arbeit zeigt. Darum ist es wahrscheinlicher, dass es erworbene (LRS) und veranlagte (Legasthenie) Lese-Rechtschreib-Schwächen gibt. Deren Ursachen sind in den bis heute 120 Jahren Legasthenieforschung wenig erforscht wurden. Darum gibt es in der Fachwelt keine Einigkeit, was die Begriffe LRS oder Legasthenie bedeuten. Dort bedarf es noch weiterer fachlicher Diskussion und Forschung.
Unsere Forschungsstatistik zeigt derzeit bei über 50 Prozent eine familiäre Veranlagung, alle anderen Schwächen können durch Probleme in der schulischen und familiären Umwelt verursacht worden sein. Einige Beispiele dafür sind: hoher Medienkonsum, sprachliche Erziehung, fehlende oder geringe familiäre Lernanreize beim Lesen und Schreiben, didaktische Lernmethodik im Fach Deutsch der Schule, häufige Lehrer- oder Schulwechsel u.v.m.
Spezialisten müssen sich mit diesen komplexen Zusammenhängen auskennen, die Lese-Rechtschreib-Schwächen auslösen können. Dies erfordert eine gründliche Anamnese der gesamten Entwicklung des Kindes sowie die Berücksichtigung der möglichen Umweltursachen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist dann die Testung der Lese- und Rechtschreibleistungen etc. In manchen Fällen ist ein IQ-Test sinnvoll, um mögliche Lernbehinderungen auszuschließen.
Fazit:
Es ist verständlich, wenn Eltern mit ihren Kindern, die sich mit den Lesen und Schreiben schwertun, manchmal überfordert sind. Diese Lernprobleme können dann auch zu familiären und schulischen Konflikten führen. Sollten Schulkinder sich über einen längeren Zeitraum (ca. ein viertel Jahr) mit dem Lesen und Schreiben schwertun und das häusliche sowie schulische Üben schafft keine Besserung, ist es ratsam professionelle Hilfe zu nutzen. Hatten ein oder mehrere Elternteile ähnliche Schwierigkeiten in der Schule, liegt die Wahrscheinlichkeit bei rund 50 Prozent, dass ihre Kinder die gleichen Probleme bekommen. In diesem Fall ist besondere Achtsamkeit ratsam. Es ist erfahrungsgemäß nicht richtig, wenn Lehrer und andere Personen behaupten, die Schwäche würde sich auswachsen. Diese Annahme kann für das Kind gravierende psychosoziale Folgen haben, wenn nichts dagegen unternommen wird. Auch wenn die Schulen im LRS-Feststellungsverfahren die Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht erkennen, können trotzdem Probleme vorhanden sein. Im Zweifelsfall sollten Eltern bei anhaltenden Problemen genauer hinsehen.
Fachleute sollten langjährige Erfahrung in der Förderdiagnostik und Förderung der Kinder haben – sie sollten möglichst mit Forschung und Praxis vertraut sein. Im besten Fall sollten sich die Eltern einen Legasthenieexperten suchen, der diese Schwierigkeiten selber in der Schule hatte, sie aber gut bewältigt hat. Diese Fachleute kennen sich häufig besser aus als diejenigen, die es nicht durchlebt haben und sich ihr Wissen nur durch ein Studium der Pädagogik oder Psychologie erworben haben. Diese Vorkenntnisse sind wichtig – sie sind aber für die Hilfe betroffener Kinder zu wenig. Denn eine bestmögliche Hilfe erfordert viel Erfahrung und Kenntnis, was es bedeutet betroffen zu sein. Es erfordert viel Mitgefühl für die Betroffenen.