hand hält handy in der hand

Ein Expertenkommentar von Lars Michael Lehmann

 

Ob die Rechtschreibung wichtig ist, auch in Zeiten von ChatGPT und anderen Hilfsmitteln am Handy wie automatische Rechtschreibkorrektur, kann man recht schnell mit einem deutlichen Ja beantworten. Auch dass Kinder in der Grundschule das Schreiben nicht mehr erlernen müssen, ist gleichermaßen ein Irrtum. Ich höre es schon seit vielen Jahren, dass es Eltern gibt, die meinen, das handschriftliche Schreiben und eine korrekte Rechtschreibung seien nicht mehr wichtig. Dem muss ich deutlich widersprechen (Welle (www.dw.com) 2024). Und man muss die Frage zulassen: Sollten wir wirklich jegliche Rechtschreibkompetenzen der künstlichen Intelligenz überlassen?

1) Kinder müssen die Grundlagen der Rechtschreibung gut beherrschen 

Bevor wir uns Gedanken über die Nutzung von KI als Hilfsmittel machen, muss man klarstellen, dass es Kinder gibt, die große Schwierigkeiten damit haben. Kinder mit LRS/Legasthenie müssen, wie alle anderen Kinder, die Grundlagen in der Grundschule gut und fehlerfrei erlernen. Wie uns Bildungsstudien und Lernstandserhebungen zeigen, sind unsere Kinder, ohne Berücksichtigung von Teilleistungsschwächen, in den letzten Jahren mit mehr Mediennutzung im Alltag im Fach Deutsch nicht unbedingt besser geworden. Und durch die Nutzung von KI wird es nicht so schnell besser, da die Grundlagen in der Schulzeit vernachlässigt werden.

2) Rechtschreibung muss erst einmal handschriftlich erlernt werden 

Das handschriftliche Schreiben ist wichtig für das Automatisieren der Rechtschreibung im Gedächtnis und fördert Konzentration, Motorik und das Zusammenfassen gedanklicher Überlegungen. Man kann auch einfach sagen: Handschriftliches Schreiben ist ein gutes Intelligenztraining. Diese Basisgrundlagen müssen in der Grundschule und im Rahmen der Förderung im Elternhaus geübt und trainiert werden. Diese Fähigkeiten müssen gut sitzen! Ende der vierten Klasse sollten Kinder gut, flüssig und fehlerfrei schreiben können, und zwar in einer ordentlichen verbundenen Handschrift. Auch bei Kindern mit LRS oder Legasthenie muss es das Ziel sein, dass sie nicht ewig hinterherhinken. Sie werden in der Regel etwas mehr Zeit brauchen als nicht betroffene Kinder ohne Lese-Rechtschreib-Schwäche.

3) Handschrift und Rechtschreibung als Ausdruck der Persönlichkeit

Eine gut ausgebildete Handschrift mit einer korrekt angewendeten Rechtschreibung ist Ausdruck der Persönlichkeit. Jede Handschrift ist individuell und einzigartig, diese persönliche Note braucht es nicht nur für die Unterschrift, sondern sie macht uns als Menschen in unserer hochentwickelten Kultur aus. KI kann hingegen nur Texte schreiben, die sie gelernt hat, und kann keine vertieften Gedanken bilden, wie wir Menschen es können. Eine künstliche Intelligenz hat kein Bewusstsein und kein Mitgefühl und kann sich nicht in das Gegenüber hineinversetzen. Menschliche Kommunikationsfähigkeiten haben einen viel höheren kulturellen Wert, als es uns scheinbar KI vortäuschen könnte.

4) KI ist für Fortgeschrittene ein Hilfsmittel

Man sollte vor ChatGPT keine Angst haben. Es kann ein Hilfsmittel sein, um Texte besser auszudrücken und zu schreiben. Dieses Tool kann man durchaus als computergestütztes Hilfsmittel einsetzen. Dennoch muss man KI als Maschine mit ihren Fähigkeiten überblicken und die Ergebnisse hinterfragen. Die menschliche Sprache ist viel vielseitiger, als dass KI sie richtig verstehen könnte.

 

5) Rechtschreibfähigkeiten werden künftig wichtiger werden 

Nur wer die Rechtschreibfähigkeiten in der Schulzeit gut ausgebaut hat, wird künftig im Beruf, der nicht weniger textlastig wird, im Berufsalltag bestehen. Schnelles Erfassen von Texten und fixes Verständnis der Inhalte sind wichtiger als je zuvor. Wer in diesem Bereich nicht klarkommt, wird noch größere Schwierigkeiten haben, beruflich zurechtzukommen. Deswegen sind Schreib- und Lesekenntnisse in Kombination mit guten Technikkenntnissen von großer Bedeutung.

6) Menschen mit Legasthenie müssen ihre Probleme besser bewältigen lernen 

Es ist ein Trugschluss, dass technische Hilfsmittel uns das Lesen und Schreiben abnehmen. Sprachliches Denken und das gute Kommunizieren mit Gefühlen und sprachlichem Ausdruck werden wichtiger. Darum ist es noch von größerer Bedeutung, dass Menschen mit Legasthenie ihre Schwäche bewältigen, denn viele Tätigkeiten, die vor KI nicht gebraucht wurden, werden im Berufsleben wichtiger. Was wahr ist: Alle Tätigkeiten, die eine KI ersetzen kann, werden künftig ersetzt werden. Berufsbilder werden sich rasant verändern und weiterentwickeln. Hier braucht es dann gute Rechtschreibkenntnisse! Denn auch KI-generierter Text kann unansehnlich klingen und voller Missverständnisse sein. Warum gute Fertigkeiten für jedermann im 21. Jahrhundert wichtig sein werden. Gute schriftliche Kommunikation erhöht das Denkvermögen. Ein hybrides Arbeiten ist denkbar: eigene exzellente Rechtschreibfähigkeiten und Ausdruck in Kombination mit KI. KI ist kein Teufelswerk, sondern ein Hilfstool zur Optimierung der Fertigkeiten. Erwachsenen mit Legasthenie ermöglicht es das Optimum herauszuholen. Aber das blinde Überlassen oder Abgeben unserer wichtigen Kulturtechniken wäre eine große Dummheit.