Wie die Erziehung bei Kindern mit LRS gelingen kann

Erziehung LRSDas Thema Erziehung spielt bei der Bewältung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche bei Kindern eine wichtige Rolle. Wir wollen in diesem Beitrag einige Ratschläge für die Erziehung von Kindern mit Legasthenie oder LRS geben, die sich in der praktischen Arbeit bewährt haben.

Sicherlich gibt es kein Patentrezept für die optimale Erziehung dieser Kinder. Da die Kinder mit Lernschwächen verschieden sind, ist auch die Erziehung für diese Kinder unterschiedlich. Außerdem gibt es keine perfekten Eltern oder Kinder, wie man sie uns in fiktiven Geschichten schönmalt. Eltern haben ihre Vorprägungen und Kinder werden von der elterlichen Umwelt wieder geprägt. Dies soll keine Entschuldigung dafür sein, die Kinder nebenbei laufen zu lassen, indem sich Eltern sagen, diese erziehen sich schon selber. Oder die Schule oder andere persönliche Bezugspersonen erziehen die Kinder. Mit Sicherheit spielt die Kernfamilie eine wichtige Rolle in der Erziehung. Wenn Kinder schulische Lernschwierigkeiten haben, ist eine entwicklungsgerechte Erziehung für diese Kinder wichtig. Eine vollkommene Erziehung gibt es nicht, es werden immer Fehler dabei gemacht. Eltern sollten sich bei unlösbaren Konflikten an professionelle Fachleute wenden. In einigen Fällen kann ein Kinder- und Jugendpsychologe eine gute Unterstützung bieten. So müssen sich familiäre Konflikte nicht hochschaukeln. Gibt es länger anhaltende Konflikte in der Familie, wie sie bei Kindern mit Lernschwächen häufiger auftreten können, ist es durchaus vernünftig sich Hilfe zu holen. Sicherlich ist das Aufsuchen solcher Hilfen mit Scham behaftet, denn wer gesteht sich schon gern ein, dass er Probleme in der Familie hat. Frühe Hilfe und ein ehrlicher Umgang mit Problemen kann hier eine Hilfe sein.

Aus unser langjährigen Erfahrung und Forschung wissen wir, dass Lese-Rechtschreib-Probleme und Schwierigkeiten in der Erziehung der betroffenen Kinder in einem engen Zusammenhang stehen können, aber nicht automatisch müssen. Erziehungsprobleme treten bei LRS-Kindern erfahrungsgemäß häufiger auf. Das ist nichts Unnatürliches. Erlebt ein Kind schulische Probleme und kann es sie möglicherweise nicht bewältigen, weil die Schwierigkeiten nicht richtig erkannt werden, wird es diese innerlichen Konflikte mit seinem Verhalten zeigen. Denn es weiß keinen anderen Ausweg, um auf die ungelösten schulischen Schwierigkeiten aufmerksam zu machen. Mögliche Reaktionen sind dann Verhaltensprobleme wie Wutausbrüche, Unruhe, Hyperaktivität, Leistungs- und Motivationsverweigerung etc. Das bedeutet aber nicht immer, dass diese Kinder psychische Probleme haben müssen. In der Frühphase einer LRS braucht das nicht der Fall sein. Bleiben die Schwierigkeiten über einen längeren Zeitraum bestehen und werden sie nicht mit professioneller Hilfe bearbeitet, können sich daraus längerfristige psychische Störungen entwickeln. Aber nur in seltenen Fällen haben Lese-Rechtschreib-Schwächen im frühen Stadium einen Krankheitswert.

Deshalb können die Eltern präventiv einen positiven Anteil an der Erziehung ihrer Kinder haben, um eine drohende seelische Behinderung der Kinder zu vermeiden. Es gibt Fälle, wo trotz guter Erziehung Verhaltensprobleme auftreten, das kann gehäufter bei Frühchen oder anderen Entwicklungsverzögerungen, bei psycho-emotionalen Vorerkrankungen oder Traumatisierungen vorkommen. Aber das betrifft nicht die Mehrheit der Kinder mit Lese-Rechtschreib-Problemen.

Mit einer kindgerechten Erziehung können Eltern positiv auf die Lernschwierigkeiten der Kinder einwirken, sodass Verhaltensprobleme vermieden oder abgemildert werden. Es wird nicht gelingen, jegliche Probleme zu vermeiden, das heißt, Schwierigkeiten in der Erziehung wird es immer geben. Familien benötigen manchmal externe Hilfe zum Beispiel durch Psychologen, das Jugendamt oder andere Familienberatungshilfen vor Ort. Trotzdem haben Eltern den größten Anteil der Erziehung zu leisten. Je besser die Lebens- und Lernumfelder der Kinder mit Lernschwächen sind, desto größer ist die Chance, diese Schwierigkeiten in der Schulzeit zu bewältigen. Denn soziale Verhaltensauffäligkeiten stehen oft im Zusammenhang mit der Erziehung der Kinder. Die Eltern müssen dazu befähigt werden, diesen Part bestmöglich eigenverantwortlich wahrzunehmen.

Die familiären Konstellationen haben sich in den letzten Jahren verändert, heutzutage leben die Kinder in unterschiedlichen familiären Zusammensetzungen neben dem klassischen Familienbild verheirateter Eltern aus Mutter und Vater. Entwicklungspychologisch ist eine stabile Familiensituation für die Kinder wichtig. Umso stabiler die Eltern-Kind-Bindung ist, desto besser wird die Erziehung der Kinder gelingen. Das trägt dann auch zu einem besseren Gelingen der zu bewältigenden schulischen Anforderungen bei. Denn außerfamiliäre Einrichtungen (Krippe, Kindergarten, Schule) haben natürliche Grenzen in der Erziehung. Wenn das familiäre Sozialgefüge problembelastet ist, sind die Entwicklungschancen der Kinder häufig ähnlich schwierig. Entsprechend wird sich die Bewältigung der Lernprobleme gestalten.

Aus unserer Sicht haben sich folgende Punkte für eine gute Erziehung herausgestellt:

  • Verbote als Gebote umformulieren
  • Nicht lügen
  • Streit sollte nicht vor den Kindern ausgetragen werden
  • Geduldig und nicht nachgiebig sein
  • Grenzen setzen
  • Konsequenzen aufzeigen
  • Verständnis zeigen und fordern
  • Belohnungen und Bestrafungen (zeitnah im richtigen angemessenen Verhältnis)
  • Etikette und Moral sowie Werte vermitteln und einfordern
  • Familiäre Rituale und Traditionen leben
  • Annahme, die signalisiert, du bist geliebt und gewollt
  • Sich Zeit für die Kinder nehmen

Diese Tipps sind grundsätzlich wichtig für eine gesunde psychische Entwicklung, wie sie sich durch eine liebevolle und fördernde Erziehung der Kinder entwickeln kann – unabhängig von der derzeitigen Familienkonstellation. Sie kann seelische Schädigungen bei Kindern vorbeugen helfen. Elternteile haben hier eine große Verantwortung. Zusätzlich gibt es in der Stadt „Hilfe zur Erziehung“ bei Beratungsstellen freier oder kirchlicher Träger oder bei den Jugendämtern.

 

Eltern tun sich häufig schwer im Umgang mit LRS

Eltern tun sich häufig schwer im Umgang mit LRS

Wir beobachten häufig, dass sich Eltern mit der Problematik Lese-Rechtschreib-Schwäche schwertun. Sie sind zu wenig über die Schwierigkeiten ihrer Kinder aufgeklärt oder es wird zu spät darauf reagiert. Erst wenn die Lese-Rechtschreib-Probleme in der Schule festgestellt werden, beschäftigt man sich damit. Aber es sollte schon möglichst früh darauf reagiert werden, wenn die Kinder im ersten Schuljahr Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Denn frühe Hilfe ist die beste Prävention, damit die Kinder keine seelischen Schäden davontragen müssen.

Hatte ein Elternteil in seiner Schulzeit Probleme mit dem Lesen und Schreiben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass auch die Kinder ähnliche Schwierigkeiten haben. Unsere Statistik zeigt eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent dafür auf, andere Studien gehen von höheren Zahlen aus. Der Ansatz, dass Kinder erst im 1. Halbjahr der 2. Klasse auf LRS getestet werden, greift unserer Meinung nach zu spät. Eine frühere Förderung wäre als Prävention vor seelischen Schäden wichtig und sinnvoll, wenn es bereits bei den Eltern ähnliche Schwierigkeiten gab. Hierfür fehlt leider häufig das Verständnis bei den Eltern und Lehrern. Von einem früheren Förderansatz sind wir in Deutschland weit entfernt. Erst wenn die Kinder auffällig werden, wird darauf reagiert. Dies kann ein Grund dafür sein, dass einige Kinder zusätzliche psychoemotionale Probleme entwickeln.

In Deutschland wird man schnell stigmatisiert, wenn es Probleme beim Lesen und Schreiben gibt. In unserer Leistungsgesellschaft gehören diese Fertigkeiten einfach dazu, die Kinder müssen reibungslos funktionieren, um den Ansprüchen in der Schule und später in der Berufswelt zu genügen. Das erzeugt zusätzlichen Druck auf die Eltern und ihre Kinder. Eltern können sich unterschiedlich gut in die Lage der Kinder hineinversetzen. Daraus ergeben sich die unterschiedlichen Reaktionen wie Mitgefühl, übertriebene Fürsorge oder Ignoranz. Dabei spielen auch die verschiedenen Erziehungsstile eine wichtige Rolle. Ein harter autoritärer oder antiautoritärer Erziehungsstil kann den Kindern gleichermaßen seelischen Schaden zufügen. Ein liebevoller und zielgerichteter Erziehungsstil, der eine gesunde psychoemotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern entwickelt und fördert, ist hilfreich für eine gute resiliente Entwicklung. In der Erziehung von LRS-Kindern werden häufig Fehler gemacht, weil die Eltern mit diesen Problemen überfordert und unsicher sind. Hier sollte eine Erziehungsberatung genutzt werden, die sich mit den Lernproblemen der Kinder auskennt.

Kinder mit einer LRS kommen nicht selten aus problembelasteten Elternhäusern oder aus Familien, wo die Eltern ähnliche Schwierigkeiten hatten, die sie nicht bewältigen konnten. Dies erschwert oft die Bewältigung der Lernprobleme bei den Kindern. Der soziale Aspekt sollte bei einer Lese-Rechtschreib-Problematik nicht unterschätzt werden. Gibt es in der Familie weniger soziale Probleme, steigt die Chance einer frühen Bewältigung der Lese-Rechtschreib-Probleme. Denn ein stabiles soziales Umfeld bringt den Kindern optimale Bedingungen. Das hat auch mit dem sozial-ökonomischen Kontext der Familien zu tun, denn sozial schwächere Betroffene sind in unserem Bildungssystem benachteiligt. Das erkennt man auch auf unserem Fachgebiet. Wahrscheinlich gibt es einen Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und psychosozialer Stabilität bei diesen Kindern. Deshalb sollten diese Kinder in der Grundschulzeit nicht in einer LRS-Klasse separiert werden, denn diese Exklusion kann die sozialen Schwierigkeiten exponentiell verstärken.