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In der Fachwelt und bei betroffenen Eltern wird schon seit vielen Jahren über den niedrigen Kenntnisstand zum Thema Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) diskutiert. Im Jahr 2011 berichteten wir darüber (Lehmann, 2011), dass der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (Tutmann, 2011) und eine Online-Umfrage der LegaKids-Stiftung (LegaKids-Stiftung, 2010) von einem sehr niedrigen Kenntnisstand der Lehrer über das Thema LRS und Legasthenie ausging. Damals bestätigte die Online-Umfrage der LegaKids-Stiftung aus München, dass über 60 Prozent der Deutschlehrer während ihres Studiums keine Fachkenntnisse über die Lese-Rechtschreib-Problematik erworben hätten.

Diese Zahlen erschienen uns damals sehr hoch. In den letzten 3 Jahren haben wir in einer Stichprobe betroffene Eltern zur Einschätzung des Informationsstands beim Thema LRS befragt. Diese nicht repräsentative Stichprobe scheint die damaligen Studien nochmals zu bestätigen. Wir befragten 89 Elternteile, wie sie den Informationstand der Lehrer zum Thema LRS einschätzen. 5 Personen antworteten mit sehr umfangreich, 11 mit umfangreich, 33 mit teils-teils. 20 Personen schätzten den Informationsstand mit weniger umfangreich ein, 7 mit nicht vorhanden, 13 konnten keine Angaben machen.

Hier zeichnet sich eine Tendenz ab, dass ein recht hoher Lehreranteil von 65-70 Prozent wenig Wissen über das Thema Lese-Rechtschreib-Schwäche aufweist.

Seit der Online-Befragung sind 9 Jahre vergangen und es hat sich am Informationstand der Lehrer zum Thema LRS nicht viel getan. Wir beobachten schon seit der Gründung unseres Instituts 2010, dass die Lehrer häufig bemüht sind, aber wenig über die Ursachen und Auswirkungen von Lese-Rechtschreib-Schwächen wissen. Auch eine Unterscheidung der verschiedenen Schwächen findet nicht statt, wie erst kürzlich im MDR-Exakt-Bericht „Lesen und Schreiben – ungenügend“ deutlich wurde (Lehmann, 2019). Selbst spezialisierte LRS-Lehrer in LRS-Klassen haben wenig differenziertes Wissen. Es ist davon auszugehen, dass der Aufklärungsgrad bei Pädagogen gering sein muss. LRS-Lehrer an normalen Schulen, so berichten es uns Eltern, haben zwar häufig einen höheren Wissensstand als andere Lehrer – trotzdem ist ihre Qualifizierung nur selten auf dem neusten Stand der Wissenschaft. Denn dann wäre es den Lehrern möglich, LRS und Legasthenie besser zu unterscheiden. Die betroffenen Schüler könnten besser integriert werden. Auffällige Kinder werden von Lehrern gern auf eine LRS-Klasse geschickt, weil sie häufig mit LRS-Kindern überfordert sind. Im sächsischen Bildungswesen wird Inklusion bildungspolitisch großgeschrieben. Die integrative Unterrichtung von Schülern mit LRS in ihrer Heimatgrundschule sollte normalerweise kein Problem bedeuten. Lehrer scheuen sich häufig vor dem Mehraufwand, den Kinder mit Lernschwächen beim Lesen und Schreiben haben. Deswegen sind die Schulen häufig enttäuscht, wenn sich die Eltern gegen eine LRS-Klasse entscheiden. Das Thema Inklusion sollte besonders in diesem Bereich überdacht werden. Eine umfassende Lehrerfortbildung, die sich nicht am Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie orientiert, wäre notwendig. Denn dieser  macht sich für eine Anerkennung der Lernschwächen als seelische Behinderung oder Krankheit stark, die bisher nicht belegt ist und nicht auf alle betroffenen Schüler zutrifft.

Nach unserer Einschätzung ist langfristig nicht zu erwarten, dass sich die Situation in unserem Bildungswesen ändern wird.

 

Quellen:

LegaKids-Stiftung. (2010). Lehrerbefragung LRS / „Legasthenie“ im deutschsprachigen Raum. LegaKids Stiftungs–GmbH (gemeinnützig). Zugriff am 15.5.2019. Verfügbar unter: https://www.legakids.net/fileadmin/user_upload/Downloads/Lehrerumfrage_2010/LegaKids_Lehrerumfrage_2010.pdf

Lehmann, L. M. (2011). 60 Prozent der Deutschlehrer haben keine Kenntnisse über Legasthenie und LRS. Dresden: Legasthenie Coaching – Institut für Bildung und Forschung gUG (haftungsbeschränkt). Zugriff am 15.5.2019. Verfügbar unter: https://www.legasthenie-coaching.de/60-prozent-der-deutschlehrer-haben-keine-kenntnisse-uber-legasthenie-und-lrs/

Lehmann, L. M. (2019). Expertenkommentar: Lesen und Schreiben – ungenügend. Legasthenie Coaching – Institut für Bildung und Forschung gUG (haftungsbeschränkt). Zugriff am 15.5.2019. Verfügbar unter: https://www.legasthenie-coaching.de/expertenkommentar-lesen-und-schreiben-ungenuegend/

Tutmann, L. (2011). Legasthenie „Schulen sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden“. Verfügbar unter: https://www.focus.de/familie/lernen/lernstoerungen/schulen-sollten-sich-ihrer-verantwortung-bewusst-werden-legasthenie_id_1953456.html