Hat der Verlust der Schreibschrift etwas mit dem Erwerb von LRS zu tun?

Hat der Verlust der Schreibschrift etwas mit dem Erwerb von LRS zu tun?

Vor nicht wenigen Jahren hatte eine schöne Schreibschrift mit der Hand etwas mit guter und ordentlicher Erziehung in der Schule zu tun. Könnte es vielleicht daran liegen, wenn Grundschulen wenig Wert auf das Beherrschen einer verbundenen handgeschriebenen Schreibschrift legen – dies den Erwerb von LRS fördern könnte? Unsere Erfahrungen geben einige Hinweise darauf, warum das handschriftliche Schreiben bei Kindern förderlich ist. Wenn die Grundschulen diese Fertigkeiten vernachlässigen, kann dies nicht nur den Erwerb von Rechtschreibproblemen fördern – sondern auch Kinder in ihrer persönlichen und intellektuellen Entwicklung beinträchtigen.

Heute erleben wir es so: Es gibt an den Grundschulen in Sachsen und in der Stadt Dresden kein einheitliches pädagogisches Konzept, wie man den Kindern das Lesen und Schreiben auf einem einheitlichen Niveau beibringt. Dafür gibt es wahrscheinlich verschiedene Ursachen, die mit dem hiesigen Bildungswesen zusammenhängen. Diese wollen wir in diesem Artikel nicht reflektieren, denn wir wissen noch zu wenig darüber. Hier nur einige Faktoren, warum das so schwer einzuschätzen ist: familiäres Umfeld als Vorbildwirkung zum Lesen und Schreiben, schulische Lernkonzepte, freie Methodenwahl der Lehrer (Schweizer-Modell, Offene Methode oder Fibel-Methode), wie den Kindern lesen und schreiben gelehrt wird. Diese Ursachen spielen zusammengenommen eine sehr komplexe Rolle dafür, dass die Qualität des Deutschunterrichts so verschieden sein kann.

Die Schulen legen unterschiedliches Augenmerk darauf, dass die Kinder eine flüssige Schreibschrift erlernen. Manche Kinder lernen diese ganz klassisch nach der analytisch-synthetischen Methode (Fibel-Methode), wo intensiv der Buchstaben-Laut-Bezug für das Lernen der Rechtschreibung trainiert wird. Andere Schulen üben die Handschrift weniger intensiv, darum kann der Bezug zur Rechtschreibung und Grammatik nicht so einfach hergestellt werden. Eine gute Handschrift ist auch für die visuomotorische Entwicklung des Kindes wichtig, umso besser können sich die Kinder gelernte Wörter einprägen und wiedergeben. Die intellektuelle Gedankenführung, wie gefasste Gedanken in Sätze geformt werden, kann so intensiver geübt werden, als wenn das nur am PC geübt wird. Das manuelle Schreibenlernen ist für die persönliche Entwicklung der Schüler wichtig. Je intensiver diese Fertigkeiten eingeübt werden, desto weniger werden Kinder mit dem Schriftspracherwerb Schwierigkeiten haben. Kinder mit LRS oder Legasthenie profitieren vom handschriftlichen Trainieren der Schriftsprache, wenn diese Fertigkeiten reibungslos klappen, kann als nächster Schritt das Schreiben am Computer vertieft werden. Problematisch ist es, wenn der PC oder das Tablet das Schreibenlernen mit der Hand verdrängt.

Fehlen diese wichtigen Entwicklungsschritte, kann sich das in der Lese- und Schreibgenese bei Kindern nachteilig auswirken. Handschriftliches Schreiben ist nicht nur für das vertiefende Lernen der Grammatik und Orthografie wichtig, sondern es fördert auch die Konzentration und die Regulation von emotionalem Stress. Eine geordnete Gedankenführung fördert zudem den sprachlichen Wortschatz und eine bessere Merkfähigkeit.

Werden diese Fähigkeiten vernachlässigt, kann es dazu führen, dass diese Schwierigkeiten zu Lese-Rechtschreib-Problemen führen, die es nicht geben müsste. Vermutlich spielen die verschiedenen Punkte, die wir in den letzten Jahren beobachtet haben, beim Erwerb von LRS eine Rolle. Die soziale Umwelt der Kinder spielt dabei eine wesentliche Rolle, inwiefern
Schüler eine LRS erwerben oder ob diese präventiv vermieden wird.

Schön das sich Bildungspolitiker für den Erhalt der Schreibschrift aussprechen – trotzdem müssen unsere Grundschulen besser werden

Ein Kommentar von Lars Michael Lehmann

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Handschrift eines Schülers, der 4. Klasse, der eine LRS-Klasse besuchte

Schön das sich Bildungspolitiker für den Erhalt der Schreibschrift aussprechen – trotzdem müssen unsere Grundschulen besser werden

Das sich unsere Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) für den Erhalt der Schreibschrift ausspricht, ist begrüßenswert. Skandinavien wird stets als Vorbild gelobt. Die Abschaffung der Schreibschrift – wie in Finnland ab 2016 favorisiert – ist aber ein Rückschritt im Bildungswesen. Es ist ein positives Signal, dass Sachsen an der Schreibschrift weiterhin festhalten will.

Wir schließen uns dem VBE (Lehrerverband) an, der eine ähnliche Sichtweise vertritt. Nach dem VBE, darf die geschriebene Handschrift in der Grundschule, nicht zur Diskussion stehen. Kinder müssen diese grundsätzliche Fähigkeit, neben dem Umgang mit den Computer erlernen.

Der bekannte deutsche Hirnforscher und Psychologe Manfred Spitzer sagt in einem Interview bei Artour „Jemanden, der etwas lernen soll, dem wollen wir eigentlich nichts vereinfachen,… denn je komplizierter die Abläufe im Gehirn beim Lernen sind, desto mehr wird im Gedächtnis abgespeichert. Die Benutzung des Gehirns ist der Speicher: Je einfacher jemand schreibt, und tippen ist noch einfacher, desto weniger bleibt hängen. Jedes Wort hat eine eigene Form, weil es eine Gesamtgestalt ist, dann bin ich auf einer wesentlich komplexeren Ebene der Informationsverarbeitung und das ist die Voraussetzung dafür, dass mehr gelernt wird…Deshalb will ich die Schrift nicht so einfach wie möglich machen…Die Schreibschrift ist wesentlich besser als die Druckschrift, das zeigen Studien…“

Man kann, hier noch weitere lernpsychologische Effekte hinzufügen, wie die Förderung der Fein- und Grobmotorik, die Kindern hilft, eine bessere Rechtschreibung zu erlernen. Nach unseren Erfahrungen lernen die Kinder dann den Laut-Buch-Staben-Bezug besser, der für die Kinder in der Grundschulzeit, für das Lernen einer fehlerfreien Grammatik hilfreich ist. Kindern wird es mit dem Schreiben der Druckschrift zu leicht gemacht. Im Vergleich zur flüssigen Handschrift lernen die Kinder weniger und bringen schlechtere Schulleistungen, als es von ihrer Intelligenz her zu erwarten wäre – wie auf dem Bild eines Viertklässlers aus einer LRS-Klasse zu sehen ist. Ferner ist die Handschrift ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal. Jeder Schüler hat eine Handschrift mit einem ganz persönlichen Charakter. Die Erkenntnisse der Hirnforschung stehen im Widerspruch zur Verwendung eines Tablets oder einer Tastatur im Unterricht. Das Erlernen einer Schreibschrift, ist eine wichtige Voraussetzung für das Lernen allgemein. Es ist fahrlässig, ein handschriftliches Schreiben vollkommen durch den Computer zu ersetzten.

Gerade für lese- und rechtschreibschwache Schüler ist die Druckschrift problematisch, da diese Schüler bei dem Erlernen der Schriftsprache besonders Schwierigkeiten haben. Die Druckschrift benachteiligt Kinder mit LRS zusätzlich. Wir haben den Eindruck, dass nach wie vor unsere Kinder viel zu wenig, an das handschriftliche Schreiben herangeführt werden. Zumindest was das intensive Üben betrifft. Eine Intensivierung ist für eine bessere Grammatik dienlich – auch für legasthene Schüler.

Das Festhalten unserer Bildungspolitiker an der Schreibschrift ist ein guter Ansatz, aber eigentlich brauchen wir dringend eine grundlegende Reform des Grundschulwesens. Es ist sinnvoll, für unsere Schüler eine einheitliche und wissenschaftlich fundierte Vermittlung der Schriftsprache im Fach Deutsch zu erhalten. Von der Politik müssen sinnvolle Reformen folgen, denn eine zielgerichtete Förderung des Schriftspracherwerbes bei Grundschüler, hilft präventiv dem Erwerb von Lese-Recht-Schreibschwächen (LRS) vorzubeugen. So sparen wir uns die strittige Separation der Kinder in LRS-Klassen. Und für uns Fachleute, wird es leichter, Schüler zu fördern, die von Natur aus Probleme mit dem Schriftspracherwerb haben.

http://www.mdr.de/kultur/video207098.html

 

 

Kommentar: Unsere Grundschüler schreiben zu wenig mit der Hand

Kommentar von Lars-Michael Lehmann
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(c) Legasthenie Coaching

Nicht nur Bildungsforscher und Sprachwissenschaftler, beobachten, dass die Kinder heutzutage, zu wenig mit der Hand schreiben. Scheinbar wird kaum darauf Wert gelegt, den Schriftspracherwerb in der Schule mit dem Füller und verbundener Schrift zu vermitteln. Dies könnte nach unserer Kenntnis, auch ein wesentlicher Umweltfaktor sein, warum sehr viele Grundschüler Lese-Rechtscheibschwächen (LRS) erwerben und die wirklichen Legastheniker (Dyslexie) in der Grundschulzeit nicht differenziert erkannt werden.

Wir haben schon von Grundschulklassen in Dresden gehört, wo 6 Kinder scheinbar eine LRS hatten. Statistisch gesehen, sind 2-3 Kinder, die von einer Legasthenie betroffen sind, der Durchschnitt. Wenn man mit Eltern und anderen Fachleuten spricht, scheint das Problem, immer mehr zuzunehmen, dass Kinder in der Grundschulzeit Lese-Recht-Schreibprobleme (LRS) entwickeln.  Diese dürfen nicht generell mit einer Legasthenie in Verbindung gebracht werden. Leider macht sich das Schulwesen häufig sehr einfach, weil LRS nur das Synonym für alle Schwächen im Schriftspracherwerb bedeutet.  Es ist nur eine symptomatische Feststellung der Problematik! Aber, wo sind die Ursachen zu suchen?

Das Kinder mit Legasthenien (Dyslexien) im Grundschulalter in Verbindung mit Umweltfaktoren und erbliche Probleme in der sprachlichen Verarbeitung etc. im Zusammenhang stehen, triff den breiten Konsens, der Forschung. Daher ist schon seit vielen Jahren das Thema Differenzierung dieser Schwächen „LRS und Legasthenie“, ein größerer Streitpunkt in der deutschsprachigen Fachwelt. Dieser ist, noch lange nicht beendet! International gibt es Aussagen, die für eine Unterscheidung der Ursachen von Schwächen im Schriftspracherwerb bestätigen.

Sieht mach sich internationale Aussagen von Wissenschaftlern an, gibt es besonders für unsere Industrienationen, verschiedene Indizien, die für einen Erwerb von Schwächen mit dem Lesen und Schreiben hindeuten. Hier wird auf eine unzureichende synaptische Verschaltung beider Hirnhälften  und unzureichender pädagogischer Förderung hingewiesen, die neben soziokultureller Umweltbedingungen in Verbindung stehen sollen. Diese Probleme, können bei Kindern im Kindergarten gemacht werden. 70 Prozent der Kinder bringen nicht die motorischen Voraussetzungen mit, um kleine Schleifen, Schlangen- oder Zickzacklinien, wie bei der Schreibschrift verbinden können. Auf ähnliche Beobachtungen weißt, Stephanie Müller (Bildungsforscherin Mediastep, Nürnberg) hin. Diese könnten, ein Indiz für die Erwerbsfaktoren von LRS sein, die diese, vorübergehenden Schwächen mit großer wahrscheinlich im Gegensatz zur Legasthenie, fördern.

Als weitere Faktoren spielen, die Förderung in der Vorschule im Kindergarten, wie auch in der Grundschule, eine wesentliche Rolle. Hier in Dresden und Sachsen haben wir bisher verschiedene Beobachtungen gemacht, dass Kinder mit unterschiedlichen didaktischen Methoden, Schreiben lernen. Uns fällt auf, dass es sehr große Unterschiede gibt. Es sind wenige Kinder, die keine Probleme mit dem handschriftlichen Schreiben haben. Daher könnten die Probleme, die Frau Müller kürzlich beschrieben hat, durchaus, die Realität der Praxis treffen.

Nicht selten, wird das flüssige Schreiben an den Schulen zu wenig gefördert. Da spielt die Schulform oder Trägerschaft, nach unserer Beobachtung keine wirkliche Rolle. Nur das häufiger reformpädagogische Richtungen (Montessori oder Waldorf), manchmal noch weniger Wert auf den Schriftspracherwerb legen, als andere. Es wird an den Schulen allgemein zu wenig mit der Hand geschrieben. Unterhält man sich mit Sprachwissenschaftlern, kommt man zu einen sehr ähnlichen Ergebnis, nämlich, dass eine zusammenhängende Schreibschrift wichtig für das Erlernen des Laut-Buchstaben-Bezuges ist. Dies wird zusätzlich, durch die strittige Schweizer-Methode (vom Hören, zum schreiben) in der Grundlagenvermittlung an den Grundschulen häufig zusätzlich vernachlässigt. So besteht die Gefahr, dass wesentlich mehr Kinder eine LRS erwerben werden. Der Legastheniker, der eine umfassendere Hilfe braucht, wird dadurch übersehen. Daher kann, die Beschulung einer LRS-Klasse in der Grundschule nicht funktionieren, was ein weiteres Argument, dagegen wäre.

Da muss man sich nicht wundern, dass unsere Kinder vermutlich mehr Rechtschreibprobleme haben, als vielleicht Generationen zuvor. Und die Grundschüler mit einer Legasthenie werden, nicht richtig erkannt!

Nach unserer Sicht, ist es sehr wichtig, dass die Kinder, eine flüssige Schreibschrift erlernen, um auch die korrekte Rechtschreibung zu verinnerlichen. Das vertieft (synaptische Verknüpfung) das gelernte wesentlich besser, als wenn man Kindern das Schreiben am Computer vermittelt. Kinder müssen, die Schreibschrift beherrschen, um vernünftig die Rechtschreibung erlernen zu können. Das sind die basalen Grundlagen, die Kinder in der Grundschulzeit erhalten müssen. So könnten viele Faktoren, die einen Erwerb von LRS fördern, präventiv kompensiert werden.

Was nicht heißen soll, das unsere Kinder mit den modernen Medien, umgehen sollen. Medienkompetenzen sind für Schülern wichtig. Sie müssten nur, an der richtigen Stelle angesetzt werden, wenn Beispielsweise gelernte Grundlagen spielerisch verinnerlicht werden. Hier kann der PC zum Spaß- und Motivationsfaktor eingesetzt werden. Er sollte nur nicht das Schreiben lernen mit der Hand ersetzten, damit tun wir unseren Kindern keinen gefallen!

Daher ist für die Entwicklung der Kinder eine umfassende Förderung schon in der Vorschule notwendig. Besonders auch die motorische Förderung, die neben anderen wichtigen Faktoren für den Schriftsprachwerb notwendig sind.