Was ist Dyskalkulie / Rechenschwäche?

Je nach wissenschaftlicher Quelle werden Schwierigkeiten im Erlernen der Mathematik mit unterschiedlichen Begriffen wie Dyskalkulie, mathematische Lernstörung, Rechenstörung, mathematische Lernschwäche, mathematische Schulleistungsschwäche, Rechenschwäche usw. umschrieben. In der englischsprachigen Literatur sind die Begriffe „mathematical disabilities“, „learning disabilities in mathematics“ oder „arithmetic learning disabilities“ geläufige Beschreibungen von Dyskalkulie bzw. Rechenschwäche. Aufgrund dieser unklaren Begrifflichkeit gibt es auch unterschiedliche Schätzungen über die Anzahl der Betroffenen in der Bevölkerung. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. geht von 4-6 Prozent der Schüler aus, die das Kriterium Dyskalkulie erfüllen. Das muss nicht bedeuten, dass diese Schätzungen verlässlich sind. Die Diagnostik nach der ICD-10 für Rechenstörungen wird von vielen Forschern als unzuverlässiges Kriterium beurteilt. Es ist davon auszugehen, dass es eine Dunkelziffer an Betroffenen geben muss, die nicht richtig eingeschätzt oder übersehen werden. Diese Betroffenen fallen dann mit ihren problembelasteten schulischen Biografien auf, die unerkannt zu psychischen Folgeerkrankungen führen können.

Zu den Ursachen der Rechenschwierigkeiten (Dyskalkulie)

Über die Ursachen gibt es verschiedene Annahmen und wenig Einigkeit in der Fachwelt dazu. Das ist  ähnlich wie auf dem Gebiet der Lese-Rechtschreib-Schwächen. Einerseits nimmt man an, dass Rechenschwächen durch Probleme der Vermittlung im Mathematikunterricht an den Schulen entstehen können. Andere Ursachen könnten aber auch der kognitive Entwicklungsstand der Kinder, ihre neurologische Besonderheiten und genetischen Komponenten sowie das soziale Umfeld (Migration usw.) sein, die eine kausale Wechselwirkung erzeugen. Deshalb nimmt man unterschiedliche Typen dieser Schwächen im Erlernen der arithmetischen Grundlagen an. In der noch jungen Forschung spricht man von Lehr- wie Lernstörungen. Es können bei einer durchschnittlichen Intelligenz auch kombinierte Schwächen Legasthenie/Dyskalkulie auftreten. Studien deuten darauf hin, dass rund 40 – 60 Prozent der lese-rechtschreib-schwachen Kinder kombinierte Lernschwächen Legasthenie/Dyskalkulie aufweisen. Oft kommen diese Rechenprobleme wie bei der Legasthenie gehäufter in der Familiengeschichte vor. In der Vergangenheit kamen diese Schüler oft auf eine Sonderschule für Schwerpunktlernen, die als Sonderschule für Lernbehinderte oder zu DDR-Zeiten als Hilfsschule bezeichnet wurden.

Bei der Diagnose einer Dyskalkulie wird häufiger das in der Fachwelt umstrittene Intelligenzkriterium angewendet als es bei der Legasthenie der Fall ist. Die Verwendung des „durchschnittlichen IQ“ als Diagnosekriterium, wie es beispielsweise die WHO-Definition empfiehlt, ist bei Schwierigkeiten im Erwerb der Kulturtechniken im Lesen, Schreiben und Rechnen allgemein strittig. Es wird in der Fachwelt diskutiert, ob sich die Lernschwierigkeiten bei Schülern mit einem hohen oder tieferen IQ unterscheiden, weil diese Tests nur einen Aspekt von Intelligenz messen würden und somit höchstens den Unterschied zwischen diesem Aspekt und dem Lesen oder Rechnen feststellen könnten. Außerdem müsste beachtet werden, dass der gleiche Diskrepanzwert zwischen Intelligenzquotient und schulischen Leistungen bei verschiedenen Kindern eine jeweils ganz andere Bedeutung haben könne. Das erschwert es, betroffene Schüler mit ihren Problemen im Rechnen richtig einzuordnen. Andere Autoren deuten auf die unklare Validität von Intelligenztests im Zusammenhang einer Diagnostik bei Lernschwächen der Kulturtechniken hin und kritisieren daher diese Herangehensweise bei der Diagnostik dieser Lernschwächen. Da die gängigen Intelligenztests stark durch sprachliche Entwicklung, sprachgebundene Denkleistungen und Schichtenzugehörigkeit geprägt sind, machen sie nur beschränkt gültige Aussagen für eine Feststellung einer Dyskalkulie (das gilt auch für Legasthenie) möglich. So kommt es häufiger zu Fehleinschätzungen oder die Betroffenen werden nicht richtig mit ihren Lernschwächen und in ihrem Förderbedarf eingeschätzt und erkannt. Darum können sich nicht-bewältigte Rechenschwächen zu psycho-sozialen Verhaltensstörungen entwickeln, die sich in ungünstigen Fällen zu einer seelischen Behinderung chronifizieren. Wie bei der Legasthenie ist nicht davon auszugehen, dass sich eine Schwäche beim Rechnen lernen automatisch zu einem psychischen Störbild entwickeln muss. Deshalb ist die Diagnostik nach der ICD-10 für eine inklusive und entwicklungsorientierte Unterstützung der Betroffenen mithilfe der pädagogisch-lerntherapeutischen Einzelförderung wenig förderlich.

Für das Erkennen einer Rechenschwäche bedarf es eines personellen Fallverstehens über die gesamte Entwicklung des Betroffenen hinweg, um die individuellen Schwächen beim Erlernen der Rechenfähigkeiten und die möglichen Lern- und Entwicklungsressourcen richtig einzuschätzen. Dieser umfassendere Ansatz fehlt derzeit in der Fachwelt häufig gänzlich.

Unser Institut ist um einen solchen Ansatz bemüht. Darum orientieren wir uns fachlich und aus der Perspektive der Menschenwürde nicht an der Diagnostik der ICD-10 und ihren Kriterien.

Diese Beitrag befindet sich in unserer Rubrik: Legasthenie/Rechenschwächen

 

Eltern-Ratgeber: Dyskalkulie bei Grundschülern richtig erkennen!

Dyskalkulie bei GrundschülernSpezielle Rechenschwächen (Dyskalkulie), die nichts mit einer Lernbehinderung zu tun haben sind bei Grundschülern nicht selten anzutreffen. Häufig gibt es, wie bei der Legasthenie enge Zusammenhänge und auch Kombinationen. Laut verschiedener Studien haben rund 40-60 Prozent der Kinder in der Grundschule, die Lese- und Rechtschreibprobleme aufweisen, Schwierigkeiten mit Mathematik. Daher ist es nicht unwahrscheinlich das Kinder mit Rechenschwächen (Dyskalkulie) auch eine Legasthenie haben.

Wir kennen diese Probleme aus dem persönlichen Erleben und unserer Familiengeschichte, dass es familiäre Anlagen geben muss, die Probleme beim Lernen der einfachsten Grundrechenarten und dem Schriftspracherwerb bereiten müssen. Die Forschung ist im Bereiche Legasthenie schon wesentlich weiter. Hier ist uns schon länger bekannt, dass familiäre Anlagen diese Schwierigkeiten begünstigen müssen. Diese liegen an der Verarbeitung der Einzelnen Teilleistungen (auditiv und visuelle Bereiche) die im Sprachzentrum im linken Schläfenlappen verarbeitet werden müssen. Darum bezeichnet die Forschung, diese als Teilleistungsstörung. Bei der Dyskalkulie ist in den letzten Jahre bekannt geworden das es zum einem an der visuell-räumlichen Verarbeitung im in der linken Hemisphäre Probleme im der simultanen (gleichzeitiges) Erfassung von Mengen liegen soll. Die Mengenerfassung muss auch im Sprachzentrum als Arabische Ziffern umgesetzt werden. Da die Verarbeitung der Schriftsprache und die Umsetzung von Mengen vermutlich in den gleichen Hirnzentren verarbeitet werden müssen, kann es bei Kindern zu beiden Lernschwächen Legasthenie/Dyskalkulie kommen. Nach unserer Sicht kann man eine Dyskalkulie nicht unabhängig von einer Legasthenie diagnostizieren. Denn viele Kinder mit Dyskalkulien weißen auch Probleme mit dem Lesefluss und der Lesegenauigkeit, Rechtschreibung auf. Obwohl die Kinder von der Grundintelligenz durchschnittlich normal entwickelt sind. Nach unserer bisherigen Beobachtung wird uns deutlich, dass die beiden Schwächen häufiger auftreten. Uns sind ganze Familien bis in die Dritte Generation bekannt, die vom Opa bis zum Enkel kombinierte Schwächen Legasthenie/Dyskalkulie aufweisen. Wir haben eine Familie, die wir  in diesem Jahr mit einer wissenschaftlichen Stichprobe beobachten werden.

Vor 30 Jahren kamen ähnliche Fälle meistens auf eine Sonderschule für Lernbehinderte. Heute sind die Beobachtungen sehr unterschiedlich. Es kann Kindern noch heute passieren, auf einer Förderschule zu landen. Hier spielt heutzutage vermutlich der soziale Status  der Herkunftsfamilie eine wesentliche Rolle, um auf eine Förderschule zu geraten. Trotzdem haben es Kinder an Regelschulen in Dresden und Sachsen schwer, besonders wenn es sich, um kombinierte Schwächen handelt.

Dann haben wir im Bildungswesen ein weiteres Problem. Lese- Rechtschreibschwächen werden heutige wesentlich häufiger anerkannt und bei der Benotung berücksichtig. Es mag da zwar noch viele Probleme geben. Aber Kinder mit einer insolierten Legasthenien haben es in der Schulzeit häufiger leichter, weil sie auf die Kompetenzen in Mathematik und in den naturwissenschaftlichen Bereichen, zurückgreifen können. Hier werden Kinder mit speziellen Rechenschwächen Probleme haben. Was dann zu einer doppelten Belastung werden kann.

Wenn Kinder in der Grundschulzeit längere Probleme mit dem Erlernen der Grundrechenarten haben und sich allgemein mit Mathematik in der Grundschule schwertun, kann es ein Hinweis sein, auf eine mögliche Kombinierte Schwäche sein. Hier muss, wie bei einer Legasthenie die ganze Entwicklung des Kindes angesehen werden. Denn es gibt auch Entwicklungsprobleme in der geistigen oder neurologischen Entwicklung bei Kindern (Hirnorganische Erkrankungen, wie Epilepsie) die Ursachen für Lernprobleme und Lernbehinderungen sein können. Diese haben nichts mit einer Dyskalkulie zu tun! Sondern es sind erworbene Handicaps. Leider werden diese in der Fachwelt manchmal mit den erklärten Lernschwächen verwechselt oder gar gleichgesetzt. Hier hat die Forschung noch sehr viel Arbeit vor sich, um das diese besser differenziert werden. Auch Rechenschwächen sind häufiger im Bildungswesen, wie wir es bei der LRS kennen, sehr grob und Allgemein gefasst. Es handelt sich hier, um sehr komplexe Lernschwächen!

Die uns bekannten Fälle sind alle von der Grundintelligenz im Normalbereich. Einige von denen sind auf einigen anderen Gebieten auch mit Kombinierten Schwächen, recht begabt. Denn diese Kinder fallen meistens mit ihrer guten Auffassungsgabe, Kreativität und Empathie auf. Ihnen fallen meistens in der Grundschulzeit die einfachsten Grundrechenarten schwer. Obwohl sie im Alltag auf das Umfeld, völlig normal auf einen wirken. Leider können Schulen mit diesen komplexen Lernproblemen selten umgehen.

Unser Rat:

Eltern sollten sich Rat suchen, wenn Kinder anhaltende Probleme mit dem Rechnen haben. Besonders in den ersten Grundschuljahren kann man Rechenprobleme mit anerkannten wissenschaftlichen Verfahren genau erkennen. Hier werden in der Regel die grundlegenden Rechenprobleme ermittelt, die in der pädagogischen und psychologischen Forschung bei Rechenschwächen bekannt sind. Diese können auf die Alters- und Klassennorm ermittelt werden. Zusätzlich müssen auch die Lese- und Rechtschreibleistungen mit wissenschaftlichen Testverfahren getestet werden. Leider fehlt Schulen sehr häufig das Verständnis, dass Kinder von Legasthenie/Dyskalkulie gleichermaßen betroffen sein können. Deswegen tun sich Schulen auch mit der Akzeptanz schwer, das gleichzeitig bei normalentwickelten Kindern diese Lernschwäche auftreten kann. Kinder fallen häufig aus dem staatlichen Förderkriterium, wenn Kinder beide haben. Es kann auch ein Ausschlusskriterium für eine LRS-Klasse bedeuten, weil diese Kinder nicht mitberücksichtig werden. Eltern sollten darauf achten, dass Spezialisten sich nicht nur mit Dyskalkulie (Rechenschwächen) auskennen, sondern die Fachleute müssen sich auf beiden Gebieten Legasthenie/Dyskalkulie gleichermaßen auskennen. Ein Kriterium ist, das wissenschaftliche Testverfahren bei der Diagnostik angewendet werden, um gesicherte Aussagen zu treffen. Hier reicht es nicht mit dem Kind zu einem Nachhilfelehrer zu gehen der Nachhilfe in Mathematik anbietet.