Wie kann ein Legastheniker die Wunden seiner Kindheit aufarbeiten?

Erfahrungsbericht von Lars Michael Lehmann, Legasthenie-Experte und Fachjournalist

Durch meine eigene Legasthenie und die langjährige Arbeit mit betroffenen Erwachsenen sammelte ich viele Erfahrungen. Meine Erkenntnis ist, dass sich viele seelische Probleme aus einer belasteten Kindheit als „Wunden“ in unsere Seelen graben können. Das kann an einer problembelasteten Familienkonstellation liegen oder aber an einem ungünstigen schulischen Lernumfeld. Wenn ich es heute richtig verstehe, muss eine Legasthenie nicht automatisch zum seelischen Problem werden, aber die soziale Umwelt kann das begünstigen. Deshalb bedeutet die WHO-Definition der Legasthenie als ein psychisches Störbild nur ein sehr enges Krankheitsbild, welches aber nicht auf die Mehrheit der Legastheniker übertragbar ist. Einerseits wachsen nicht alle Betroffenen in einer belasteten sozialen Umwelt auf. Andererseits treten nicht alle Lernprobleme häufiger in den Familien auf, was aber bei der Legasthenie der Regelfall ist. Sondern es gibt unterschiedliche Lese-Rechtschreib-Probleme, die man als LRS (erworben) und Legasthenie (familiäre Häufung) unterscheiden sollte. Diese sinnvollere Differenzierung wird in der Fachwelt schon seit Beginn der Legasthenieforschung diskutiert.

Während meiner beruflichen Praxis habe ich sehr unterschiedliche Biografien von Legasthenikern und Legasthenikerinnen gesehen.

Abwertung im familiären Umfeld

Ich möchte etwas aus meiner Biografie berichten. In meiner Familie kommt die Legasthenie gehäufter vor. Auch mein Vater ist von einer schweren Legasthenie betroffen. In seiner Kindheit hat sich niemand darum gekümmert, denn er war ein Nachkriegskind und die Familie musste erstmal überleben. Er hatte immer sehr große Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, die bis heute anhalten. In der Abendschule konnte er den 10.-Klasse-Abschluss erlangen. Er ist wissbegierig und sehr kreativ. Aber in meiner Kindheit konnte er mir aufgrund seiner Probleme keine wirkliche Stütze sein. In schulischen Dingen konnte er mir nicht helfen. Meine Mutter war dagegen im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen ein Ass. Sie gab sich große Mühe mich in der Schule zu unterstützen. Aber sie konnte meine Probleme nicht nachvollziehen und wertete mich als Person ab, ohne das zu beabsichtigen. Meine Mutter schämte sich für mich, weil ich zu DDR-Zeiten auf eine Sonderschule für Lernbehinderte gehen musste. Immer wieder wurde mir sehr deutlich gezeigt, dass ich es in meinem Leben zu nichts bringen würde.

Abwertung im schulischen Umfeld

In der Schule war es nicht besser. Erschwerend kam hinzu, dass ich in einem katholischen Elternhaus aufwuchs. Zu DDR-Zeiten war das in meiner Heimat, der ländlichen Oberlausitz, nicht gern gesehen. Unsere Hilfsschule war recht regimetreu. Dort erfuhr ich keine wirkliche Hilfe und Unterstützung. Schon in den ersten Klassen wurde deutlich, dass ich große Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hatte. Man argumentierte immer, dass das halt eine Lernbehinderung sei. In meinem privaten Umfeld fiel es Bekannten und Freunden von Eltern immer wieder auf, dass ich nicht auf diese Schule gehörte. Doch meine Eltern konnten das nicht ändern und sie mussten sich fügen. Auch in der Schule erlebte ich eine Abwertung. Uns wurde signalisiert, dass wir nach der 8. Klasse keine beruflichen Entwicklungschancen haben würden. Wir müssten uns damit abfinden Hilfsarbeiter zu werden.

Das sind nur kurze Auszüge aus meiner Biografie. Sie machen deutlich, dass ich in meinem Leben allerhand Abwertung erlebte. Sicherlich hatten nicht alle Legastheniker eine solche Biografie. Aber viele von ihnen werden sich hier wiederfinden. Allerdings sehe ich Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern. Für mich ist wichtig, dass ich zu DDR-Zeiten in einem Regime aufwuchs. Das erlebten viele meiner Altersgenossen der DDR-Wendegeneration ähnlich. Auch in den alten Bundesländern gibt es meines Wissens nach Legastheniker mit seelischen Wunden aus ihrer Kindheit. Diese können sehr unterschiedlicher Natur sein. Die Betroffenen der alten Bundesländer lebten in einer freieren und selbstbestimmteren Welt (besonders seit den 68er-Jahren), darum spielte das politisch-gesellschaftliche Leben in ihrer Biografie eine geringere Rolle als bei den in der DDR aufgewachsenen Menschen.

Wie kann ein Betroffener seine seelischen Wunden bewältigen?

Hierfür gibt es keine Patentlösung. Aus meinem eigenen Erleben heraus kann ich sagen, was mir geholfen hat. Entscheidend war für mich diese Brüche in meiner Biografie anzuerkennen. Das war nicht einfach für mich, denn ich musste die Wunden der Vergangenheit mit professioneller Hilfe durch Psychologen und Seelsorger aufarbeiten. Außerdem gelang es mir, aus dem eigenen Betroffensein heraus mich fachlich zu qualifizieren, um jetzt anderen Betroffenen professionell helfen zu können. Als praktizierender Christ durfte ich lernen, wie man seinen Eltern die von ihnen verursachten Wunden vergibt. Ich konnte diese Wunden bei Jesus Christus abgeben, darüber mit meinen Eltern sprechen und ihnen Vergebung zusprechen. Mit meinen schulischen Erfahrungen erlebte ich das ähnlich. Ich habe viel mit vertrauten Menschen geredet, um diese Wunden zu verarbeiten. Dagegen brauchte ich einige Jahre, um die traumatischen Erfahrungen des DDR-Systems zu verarbeiten, in dem ich aus politischen Gründen zwei Jahre als „Behinderter“ in einer Behindertenwerkstatt arbeiten musste. Diese seelisch sehr belastenden Erlebnisse konnte ich bis heute gut verarbeiten. Eine wichtige Stütze dabei waren Freunde und andere vertraute Menschen, mit denen ich gut über alles reden konnte. Diese Gespräche (+ schriftliche Entäußerungen) lösten einen sehr heilsamen Prozess in mir aus. Für meine berufliche Tätigkeit war das eine sehr wichtige Erfahrung. Ich kann heute sehr gut nachvollziehen, wie sich diese seelischen Wunden anfühlen und wie man sie schrittweise bewältigen kann.

Ich würde mir wünschen, dass wir Legastheniker mehr über unsere Biografien in der Öffentlichkeit sprechen. Das hilft bewältigen! Die Verwundungen unserer Kinderseelen wirken bis ins Erwachsenenleben weiter, da gibt es keinen Schlussstrich. Deswegen ist es so wichtig, dass Kinder mit einer Legasthenie in ihrer Schulzeit psychisch stabil bleiben. Das ist ein wichtiger Grund, weshalb ich die LRS-Klassen in Sachsen kritisiere. Denn diese Sonderschulerfahrung in Form einer LRS-Klasse kann sich als Diskriminierungserfahrung und seelische Wunde bei den Betroffenen auswirken. Ich habe schon einige Erwachsene mit Tränen in den Augen erlebt, die diese Wunde der Ausgrenzung erfahren haben. Auch diese Wunden benötigen Verarbeitung und Heilung.

Diese Schritte sind für manche Legastheniker wichtig, um ihre Schwäche auch im Erwachsenenalter noch zu bewältigen. Leider hat sich die Fachwelt bisher nur wenig mit diesem Bereich beschäftigt. Bei Ängsten und Depressionen ist es sinnvoll psychologische Hilfe zu suchen. Damit habe ich gute Erfahrungen gesammelt. Leider kennen sich nur wenige Psychologen und Therapeuten mit dem Thema Legasthenie aus. Bei den meisten Fachleuten ist heute die Erkenntnis unumstritten, dass Betroffene aufgrund einer nichterkannten Legasthenie seelische Probleme entwickelt haben. Aber die Definition der Legasthenie als psychisches Störbild bzw. Krankheitsbild seitens der WHO ist äußerst strittig. Sicherlich können legasthene Menschen aufgrund der seelischen Verwundungen in der Kindheit (durch Familie und Schule) seelische Belastungen erfahren, die sich dann als Versagensängste, Minderwertigkeitskomplexe oder Verhaltensprobleme äußern. Aus meiner Sicht ist das häufig eine Reaktion auf seelische Wunden und nur in seltenen Fällen entwickeln sich daraus schwere seelische Krankheiten. Meine Schlussfolgerung ist: Es könnten viel mehr Erwachsene ihre Legasthenie bewältigen, wenn sie bereit sind, ihre seelischen Wunden aufzuarbeiten.

Weiterführende Fachaufsätze: 

 

Erfahrungsbericht: Legasthenie im Erwachsenenalter

13877125_blogIm Dezember 2011 hatten wir schon einmal einen Ratgeber: „Legasthenie im Erwachsenenalter“ an dieser Stelle veröffentlicht. Nun ist wieder einiges an Zeit vergangen und wir konnten, reichliche Erfahrungen sammeln.

Ungünstige Umweltbedingungen fördern bis in das Erwachsenenalter psychische Probleme

Häufig werden bis in das Erwachsenenalter diese Probleme von anderen überdeckt und es wird immer wieder der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung gestellt. Diese können bei Erwachsenen in schweren Fällen auch beobachtet werden. Trotzdem ist nicht davon auszugehen, das Legasthenie und Dyskalkulie psychische Störungen sind, sondern sie können diese vermutlich von ungünstigen Umweltbedingungen und sozioökonomischen Umfeldern gefördert werden.

Rund 70 Prozent der Erwachsenen entwickeln sekundäre Probleme

Rund 40-50 Prozent der Betroffenen sollen psychische Probleme haben. Im Erwachsenenalter gibt es noch keine gesicherten Daten. Nach unseren praktischen Beobachtungen zu urteilen, kann man von rund 70 Prozent der Erwachsenen vermuten, die sekundäre Probleme davongetragen haben. Umweltbedingungen und das soziale Umfeld, spielen eine maßgebliche Rolle. Dass Legastheniker bis in ihr Erwachsenenalter auch Störungen der Persönlichkeit entwickeln können. Diese Probleme können häufiger in ganzen Familien beobachtet werden. Daher ist aus der soziologischen Perspektive, nur von einem Erwerb dieser Störungen im Erwachsenenalter auszugehen. Und nicht, wie es die WHO oder Legasthenieverbände die Probleme automatisch Legasthenie und Dyskalkulie als psychische Störbilder einordnet. 

Ursachen für psychische Belastungen werden im Kindes- und Jugendalter gelegt

Wenn nämlich die Probleme im Kindesalter frühzeitig erkannt werden und die Umweltfaktoren richtig verstanden werden, entwickeln sich legasthene und dyskalkule Kinder völlig normal. Erhalten sie, als Kinder keine tiefgründige Diagnostik der Ursachen, wo die Probleme im Schriftspracherwerb zu suchen sind, besteht natürlich die Gefahr, das sich psychische Belastungen davontragen können.

Versagensängste und depressive Verstimmungen, werden durch ungünstige Umweltbedingungen in der Kindheit erworben

Frühes Lern- und Schulversagen fördern Probleme in der psycho-emotionalen Entwicklung, die dann bis in das Jungendalter und junge Erwachsenenalter zu Depressionen und vermutlich wesentlich selteneren Persönlichkeitstörungen verestigen können.

Denn das frühe Scheitern in der Grundschule und eine unerkannte Legasthenie und Dyskalkulie, kann Versagensängste, depressive Verstimmungen bei Kindern fördern. Sicherlich spielen hier noch einige weitere Umweltfaktoren mit eine Rolle, die diese Probleme bei Kindern begünstigen können. Die Erziehung der Eltern und der soziale Status sowie das Lernumfeld, tragen zu einer gesunden seelischen Widerstandsfähigkeit der Kinder bei. Ob sich langfristig, Störungen im Sozialverhalten entwickeln oder psychisch unbeschadet bleiben.

Schwierige Schullaufbahnen fördern Störungen des Erwachsenenalters

Es gibt immer wieder erwachsene Legastheniker, die durch ihre schwierige schulische Laufbahn zusätzlich eine Suchtkarriere und sogar straffällig wurden. Bei Erwachsenen mit Alkohol- und Drogenmissbrauch besteht die Gefahr das diese schwerwiegende und nur schwer oder nicht rückgängig zu machendende (irreversible) Persönlichkeitstörungen entwickeln können. Diese mögen zwar in der in der Beobachtung der Fälle im Erwachsenenalter seltener vorkommen, aber sie werden in der praktischen Arbeit mit Erwachsenen beobachtet. Leider gibt es hier noch keine Studien dazu. Bei Erwachsenen mit unerkannten Kombinationen aus Legasthenie/Dyskalkulie scheinen die psychischen Belastungen im Erwachsenenalter wesentlich größer zu sein, als wenn es sich nur um eine unabhängige Legasthenie handelt. Hier werden wesentlich seltener komplexe Probleme in der Persönlichkeit beobachtet.

Erwachsene schildern von LRS-Klassen in der Kindheit – diese schien kaum Hilfe brachten zu haben

Hier in Mitteldeutschland und in Dresden ist es häufig der Fall, das Kinder mit einer Lese-Recht-Schreibschwäche (LRS) in eine 2-jährige Sonderklasse (LRS-Klasse) gehen. Da man sich in diesen Klassen nicht, um die Ursachen und Umweltbedingungen kümmert und häufig nur an den Symptomen herumdoktert, beschreiben junge Erwachsene, dass sie davon wenig profitiert haben. Einige erlebten dies bis in ihr Erwachsenealter als Ausgrenzung. Auch wenn sie teilweise recht gute Schul- und Berufsabschlüsse geschafft haben. Dennoch wird beobachtet, das die Lese-Rechtschreibschwäche oder Legasthenie nicht ausreichend kompensiert wurde. Wahrscheinlich sind die ausgebildeten LRS-Fachkräfte, die bei SBA (Sächsischen Bildungsagentur) qualifiziert werden, vermutlich reichen diese Qualifikationen für eine Hilfe der Betroffenen nicht aus. Das wird uns immer wieder vom Bildungswesen berichtet, es ist aber kein sächsisches Problem sondern ein Bundesdeutsches.

Eine Legasthenie im Erwachsenenalter kann man in den Griff bekommen

Die Arbeit mit Erwachsenen erfordert sehr viel Know-how und Erfahrung auf dem diesem Gebiet, um das Erwachsene mit einer Legasthenie das Leben in Griff bekommen können. Denn die Diagnostik und Einzelförderung bis zur spezialisierten Sozialtherapie ist ein langwieriger Prozess. Denn es geht nicht nur darum, das die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben zu kompensieren. Diese sind nur der Nebeneffekt einer hoch qualifizierten Förderung. Noch viel wichtiger ist, das Verhaltensmuster, die sich eingeschlichen haben, erkannt werden und abgeändert werden.

Hierfür brauchen Erwachsene ein stabiles soziales Umfeld und eine gute psychische Widerstandskraft, um das dieser Weg gelingen kann. Aber es gibt auch Fälle im Erwachsenenalter, wo das Umfeld stabil ist. Dann wird auch eine Förderung und Kompensation einfacher werden.

Die Arbeit mit Erwachsenen ist sehr vielfältig! Es ist damit zu rechnen, das dieser Lern- und Entwicklungsprozess 2-3 Jahre dauern kann.

 

Legasthenie und Berufswahl

Bewerbung

Bildrechte bei WiPiWyG / Flickr.com

Bis heute kennen wir viele Legastheniker aus allen nur erdenklichen Berufsbereichen. Dass diese keiner Arbeit nachgehen dürfen, in der sie im Alltag viel schreiben müssen, ist so nicht richtig. Nicht wenige schreiben im beruflichen Leben sehr viel, und das sogar mit wenigen Problemen. Hier ist die frühe Diagnose und ein pragmatischer Umgang mit dem Thema sehr wichtig, um im Berufsleben einmal gut zurechtzukommen. Es hängt von vielen Faktoren ab. Selten werden die Probleme in Dresden und Sachsen richtig erkannt. Das gleiche ist im gesamten Bundesgebiet zu beobachten.

Der Besuch einer LRS-Klasse wirkt sich nicht positiv für die Jugendlichen aus. Zum einen ermöglicht diese keine deutliche Differenzierung der Probleme, denn LRS ist nur ein sehr grobes Synonym für Lese-Rechtschreib-Probleme. Über die Ursachen weiß man trotzdem meist wenig. Darum konnten die Probleme bis zur Berufswahl nicht überwunden werden. Dies beobachten wir häufig in der alltäglichen Arbeit mit jungen Erwachsenen. Bei Bewerbungen sind Zeugnisse von LRS-Klassen hinderlich, da Unternehmen oft wenig Verständnis für die Probleme haben – was an der richtigen Aufklärung liegt, da es unterschiedliche Schwächen (LRS, Legasthenie etc.) gibt.

Vielen Jugendlichen wird dadurch der Zugang zum optimalen Schul- und Berufsabschluss erschwert, da wenige in ihren Fähigkeiten richtig eingeschätzt wurden. Ein Stolperstein ist der Besuch einer LRS-Klasse, sofern diese in das LRS-Schema im Schulwesen passt. Viele Legastheniker werden in der Grundschulzeit nicht erkannt, da LRS-Tests meistens die Probleme nicht differenziert erkennen. Und so müssen sich diese Schüler mühsam durch das Schulwesen kämpfen. Dabei verfügen nicht wenige Betroffene über eine überdurchschnittliche Intelligenz. Sie schaffen häufig auch ohne eine Sonderklasse die Schule, denn sie kompensieren die Probleme mit ihrer guten Intelligenz. Darum halten sie häufig den Notendurchschnitt und werden nicht bemerkt. Dies ist ein besser Weg, als eine ausgrenzende Sonderklasse, wo Schüler einen Stempel fürs Leben erhalten.

Nach unseren Beobachtungen gibt es bei beiden Gruppen keine deutlichen Unterschiede (bzgl. der Auswirkungen von LRS-Klassen). Die Gefahr, im Berufsleben langfristig wegen des Besuchs einer LRS-Klasse benachteiligt zu werden, ist dagegen wahrscheinlicher. Darum sind diese Sonderklassen aus wissenschaftlicher Sicht strittig. Sie bieten keine umfassende und differenzierte Förderung sowie Integration. Zumindest gibt es dafür keine Vergleichsstudien, die eine positive Entwicklung belegen würden.

Wie schon erwähnt, gibt es Legastheniker in vielen Berufen. Heute gibt es viele Chancen, mit guten Fähigkeiten einen passenden Beruf erlernen zu können. Vorausgesetzt, Betroffene haben den passenden Schulabschluss. Immer wieder begegnen uns spannende Lebensgeschichten! Sicherlich war es für die meisten ein Kampf, den Beruf zu erlernen, der ihren Talenten entspricht. Sehr viele könnten ein Abitur schaffen, werden aber meistens daran gehindert. Daher gelingt es nicht selten über Umwege, doch zum Ziel zu kommen.

Hier spielt ein gutes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten eine Rolle. Blickt man nur auf die Defizite, wird es meistens schwer werden, den passenden Platz in der Arbeitswelt zu finden.

Jugendliche müssen lernen, eine gute seelische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu entwickeln. Sie müssen lernen, dass es kein Leben ohne Rückschläge, Misserfolge und Widerstände gibt. Ein Legastheniker muss sich in der Regel mehr anstrengen, als ein Nichtbetroffener. Daher kann das auch eine Chance sein, deutlich besser im Berufsleben fußzufassen, weil Hartnäckigkeit eines Tages seinen Lohn haben wird. Dass zeigen uns viele Biografien von Legasthenikern, die es geschafft haben, einen Job zu bekommen, der zu ihren Fähigkeiten passt.

Darum ist es wichtig, dass Legastheniker viel Ermutigung bekommen, und wie alle eine Chance im Berufsleben zu erhalten. Wir kennen viele Biografien, die bewiesen haben, dass es geht. Denn es scheitert niemals an den Fähigkeiten dieser Menschen, sondern an der Ignoranz im Umgang mit der Thematik „Legasthenie“.