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Warum LRS in Familien oft ein Tabu ist

LRS, auch als Legasthenie bezeichnet, betrifft etwa 15 % der deutschen Bevölkerung. Trotz dieser hohen Prävalenz bleibt das Thema in vielen Haushalten verschwiegen. Eltern wollen als stabile Vorbilder gelten und vermeiden es, Schwächen zu zeigen – aus Angst, das Selbstwertgefühl ihrer Kinder zu gefährden. Zusätzlich fehlt häufig ein lesendes Vorbild: Wenn der Vater nie ein Buch in der Hand hatte, fehlt dem Kind ein Modell für den Umgang mit Texten. Generationsunterschiede (z. B. Baby‑Boomer) verstärken das Tabu, weil Lesen früher weniger in praktisch-handwerklichen Berufen gefordert war. Deswegen wurden, Lese-Rechtschreib-Schwächen vernachlässigt.

Die Konsequenzen des Schweigens

  1. Schlechtere schulische Leistungen – LRS beeinflusst nicht nur das Fach Deutsch, sondern erschwert das Verstehen von Aufgaben in Mathematik, Geschichte und Naturwissenschaften.
  2. Psychische Belastungen – Angst vor dem Schreiben, geringes Selbstwertgefühl und mögliche depressive Verstimmungen entstehen häufig, wenn das Problem nicht offen besprochen wird.
  3. Soziale Isolation – Unsicherheit beim gemeinsamen Lesen, beim Verfassen von Nachrichten oder beim Ausfüllen von Formularen kann das Kind aus dem sozialen Umfeld ausschließen.
  4. Langfristige Berufsperspektiven – Auch in einer zunehmend KI‑gestützten Arbeitswelt bleibt die Fähigkeit, klare und präzise Texte zu produzieren, ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Handlungsempfehlungen für Familien

1. Offene Kommunikation etablieren

  • Regelmäßige Familiengespräche: Schaffen Sie einen sicheren Raum, in dem jedes Familienmitglied über Stärken und Schwächen sprechen kann.
  • Positive Sprache: Verwenden Sie statt „Problem“ Begriffe wie „Entwicklungsbereich“ oder „Lernchance“.

2. Vorbilder aktiv einbinden

  • Gemeinsames Lesen: Lesen Sie laut vor, tauschen Sie Lieblingsbücher aus und diskutieren Sie die Inhalte.
  • Schreibrituale: Führen Sie ein Familien‑Tagebuch, in dem Fehler ausdrücklich erlaubt und gemeinsam korrigiert werden.

3. Professionelle Unterstützung nutzen

  • Diagnostik: Lassen Sie bei Verdacht eine fachgerechte LRS‑Diagnose durch Schulpsychologen oder spezialisierte Therapeuten durchführen.
  • Evidenzbasierte Förderprogramme: Nutzen Sie multisensorische Methoden, phonologische Bewusstseinsförderung und individuell abgestimmte Lernpläne.

4. Technologie sinnvoll einsetzen

  • Sprach‑zu‑Text‑Tools: Diktierfunktionen erleichtern das Schreiben von Aufsätzen und E‑Mails.
  • KI‑basierte Rechtschreibhilfen: Programme wie GrammarlyMicrosoft Editor, Deepl etc.

5. Netzwerkbildung und Erfahrungsaustausch

  • Eltern‑Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen betroffenen Familien stärkt das Selbstbewusstsein und liefert praxisnahe Tipps.
  • Fachverbände: Der Bundesverband Legasthenie‑ und Dyskalkulie e. V. und DVLD e. V. stellt aktuelle Forschungsergebnisse, Weiterbildungen und Fördermöglichkeiten bereit.

Warum LRS‑Kompetenz künftig noch wichtiger wird

Auch wenn KI‑Assistenzsysteme immer leistungsfähiger werden, ersetzen sie nicht das kritische Denken und die Fähigkeit, Texte zu verstehen, zu hinterfragen und selbst zu formulieren. Lesen und Schreiben bleiben zentrale Kulturtechniken, die langfristig über Bildungserfolg, berufliche Chancen und gesellschaftliche Teilhabe entscheiden.

Fazit – Der Weg zu einem offenen Familienklima

Das Tabu rund um LRS ist tief verwurzelt, aber keineswegs unveränderlich. Durch offene Kommunikation, das Vorleben von Lese‑ und Schreibgewohnheiten, professionelle Förderung, gezielten Technikeinsatz und den Austausch mit Gleichgesinnten können Familien die Schwäche kompensieren und gleichzeitig die individuellen Stärken ihrer Kinder fördern. Dieser ganzheitliche Ansatz stärkt nicht nur das betroffene Kind, sondern verbessert das gesamte Familienklima und legt die Basis für eine selbstbewusste Generation, die den Anforderungen einer digitalisierten Zukunft gewachsen ist.

Hören Sie sich dazu unseren Legasthenie-Coaching-Podcast an: Warum Familien ungern über LRS reden.