Einige Kinder haben neben der vererbten Legasthenie noch andere Lernschwächen beim Lesen und Schreiben. Die kognitive Entwicklung der Kinder, insbesondere das Arbeitsgedächtnis, kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Es gibt Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, die zu den Lernbehinderten gezählt werden können. Leider reagieren einige Eltern in solchen Fällen mit einer Realitätsverweigerung, die sich in mangelnder Kooperationsbereitschaft und Beratungsresistenz äußert. Wir Fachleute werden immer wieder damit konfrontiert.

Das Thema Inklusion ist derzeit in der Öffentlichkeit sehr präsent. Deshalb meinen manche Eltern, dass ihre Kinder trotz gravierender Lernschwächen auf eine Regelschule gehen sollten, koste es, was es wolle. Doch die Realität sieht meist anders aus. Kinder mit Lernschwächen können nicht immer in eine Regelschule integriert werden, weil es oft an Fachleuten fehlt, die sie in der Schule begleiten. Sicherlich ist es gut und wünschenswert, dass auch Kinder mit Handicaps ins Schulsystem integriert werden. Wenn Eltern aber die vorhandenen Ressourcen ihrer Kinder überschätzen, besteht die Gefahr, dass die Kinder noch mehr leiden. Denn sie werden immer einen Leistungsrückstand haben, der sie oft überlastet und psychisch überfordert. Leider gibt es Eltern, die alle Lernprobleme auf eine Legasthenie zurückführen und dabei andere Lernschwierigkeiten und die tatsächlichen Fähigkeiten der Kinder außer Acht lassen. Es ist sehr schmerzhaft zu beobachten, wenn Eltern mit einer solchen Realitätsverweigerung reagieren.

Ursachen der Realitätsverweigerung in Familien mit behinderten Kindern

Für viele Eltern ist es ein Stigma, wenn ihre Kinder nicht die gewünschte Leistung erbringen. Sie verdrängen dann die tatsächlichen Lernschwierigkeiten und ignorieren die Tatsache, dass Kinder mit Lese-Rechtschreib-Problemen auch lernbehindert sein können. Die Eltern hoffen dann, dass eine Legasthenie oder LRS die einzige Ursache der Probleme ist, obwohl diese Kinder noch andere Defizite beim Lernen haben. Legasthene Kinder hingegen sind in der Regel normal intelligent. Sie haben Probleme beim Lesen und Schreiben, aber nicht beim allgemeinen Lernen in der Schule. Zu DDR-Zeiten wurden legasthene Schüler oft mit Lernbehinderten gleichgesetzt, was fatale Folgen für ihre schulische Entwicklung hatte. Das DDR-System war in dieser Hinsicht sehr streng; wer als Schüler nicht funktionierte, wurde oft schnell aussortiert. Heute ist die Situation differenzierter. Unsere Bildungspolitik möchte alle Kinder inklusiv unterrichten, aber die Praxis sieht oft anders aus. Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen müssen nichts Negatives sein. Hier muss differenziert werden. Die Eltern haben hier eine wichtige Verantwortung, damit ihre Kinder die notwendige und richtige Förderung erhalten.

Trotz aller Kritik zum Thema Sonderschulen ist es eine Tatsache, dass lernschwache Kinder von dieser sonderpädagogischen Maßnahme profitieren können. Leider ist für manche Eltern der gute Ruf in ihrem sozialen Umfeld wichtiger als eine gesunde psychosoziale Entwicklung der Kinder. Wenn diese Eltern die Lernprobleme nicht richtig einschätzen, kann sich das langfristig sehr negativ auf die Kinder auswirken. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Eltern offen für eine professionelle Beratung sind. Heute können sich Förderschüler auch nach ihrer schulischen Laufbahn gezielt weiterentwickeln. Die Familien sind hier gefordert, die Kinder emotional zu unterstützen und ihnen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.

Unser Fazit ist:

Es gibt Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, die mit Lernbehinderungen zusammenhängen und nichts mit einer LRS/Legasthenie zu tun haben. Eltern sollten immer offen und ehrlich mit den vorhandenen Lernressourcen der Kinder umgehen. Eine Verleugnung der Realität kann der Entwicklung des Kindes großen Schaden zufügen. Deshalb sollten Eltern auf die Einschätzungen von Experten achten und im Zweifelsfall den Rat anderer Fachleute einholen. Gute Anlaufstellen sind dabei die SPZs oder Kinder-, Jugend- und Schulpsychologen.