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Erfahrungsbericht von Lars Michael Lehmann, Legasthenieexperte und Fachjournalist

Ich weiß, was es für Gefühle, in einem auslösen kann, wenn man Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat. Meine Eltern und Lehrer konnten, diese Schwierigkeiten in der Schulzeit nicht einordnen. Wohlbemerkt, dass bei guter Intelligenz! Sie meinten, ich wäre zu dumm oder gar zu faul, fehlerfrei zu lesen und schreiben zu lernen. Am Ende, glaubte ich diesen Vorurteilen, und hatte eine Schreibhemmung daraus entwickelt. Viel später, reichlich spät, im jungen Erwachsenenalter, musste ich die Probleme in Angriff nehmen – schließlich konnte ich diese Schreibhemmung gut bewältigen! 

Niemand kann diese Hemmungen verstehen, wenn er diese nicht am eigenen Leibe erfahren hat. Diese können Versagensängste auslösen und man verspasst, sich selber, ganz unbemerkt eine Etikette: „Störung“, und bildet sich ein, dass mit einem etwas nicht stimmen muss. In der Soziologie nennt man dies: Selbstetikettierung, in dem man sich ein „Defizit“, so lange einbildet, dass es wirklich zum handfesten Problem werden kann. Mediziner diagnostizieren dann gern, die umstrittene Lese-Recht-Schreibstörung, die als psychisches Störung von der WHO definiert wurde – mir blieb, so eine Eingruppierung erspart. Zu DDR-Zeit, war man automatisch lernbehindert und musste auf die Sonderschule gehen. Diese Teilleistungschwäche, gehörte vor 30 Jahren in der DDR zu den Lernbehinderungen. Heute separiert man diese Kinder in LRS-Klassen in Dresden und Sachsen, was auch nicht weniger diskriminierend ist. Man hat mit der Integration von Betroffenen im Bildungswesen, keine wirklichen Fortschritte gemacht.

Nach langer Auseinandersetzung, begriff ich, das eine Legasthenie keine Krankheit bedeutet – auch die Bezeichnung: „Behinderung“ passte, in diesem Fall nicht. Sicherlich gibt es Bestrebungen, besonders von Seiten des Bundesverbandes Legasthenie, dass man alle Legastheniker als behinderte oder kranke einstufen will. Ich frage mich: Wer soll davon etwas haben? Das hilft niemanden die Lese-Recht-Schreibschwäche zu bewältigen – sondern es bringt, noch viel mehr Hemmungen. Wenn man sich nämlich, ein Störbild einbildetet, was aus den Labors der pharmazeutischen Industrie stammt – wird man eins bekommen. Wer sich ein Defizit einbildet, kann es auch nicht wirklich bewältigen. Nach meiner Sticht, ist diese Eingruppierung: „Eine Bequemlichkeitsdiagnose, mit der ganze Industriezweige Geld verdienen wollen.“ Den Betroffenen, ist damit ganz sicher nicht geholfen! Nein, es wird häufig ein Teufelskreis daraus, den man schwer entrinnen kann.

Nun werden sich meine Leser fragen: Wie ich es geschafft habe, diese Hemmung zu überwinden? Mir sagte einmal eine befreundete Pädagogin: „Du musst Deine Schwäche, zum Beruf machen!“, dies gelang mir viele Jahre später. Sie hatte damit recht. So lernte ich Schritt für Schritt, besser und flüssig lesen und verbesserte mich in meinen Rechtschreibfähigkeiten. Ich verschlang sämtliche Sach- und Fachbücher, rund um das Thema: „Legasthenie“ – quer durch alle Fachgebiete. Es war für mich die passende Lektüre, in der ich Antworten für meine Probleme fand. Im Laufe dieser Zeit, entwickelte ich viel Spaß am Lesen und Schreiben – denn ich bemerkte, ich wurde nach einiger Zeit besser in meinen Lese-Rechtscheibfähigkeiten. Wo, ich das begriff, verlor ich meine Hemmungen – von meinem Umfeld wurde ich ermutigt, weiter an der Bewältigung zu arbeiten.

Niemand traute mir diesen Entwicklungssprung zu! Ich bin überzeugt, dass es vielen Erwachsenen auch gelingen kann. Ja, es kostet viel Mühe! Man macht nicht sofort schnelle Fortschritte. Langfristig gesehen, kann es aber einen gelingen. Man muss nur den Mut dazu finden – dann wird man diese Teilleistungschwäche bewältigen. Ein wichtiger Punkt, nach meiner Erfahrung ist immer die nötige Lernbereitschaft
und Motivation, aus alten Verhaltensmustern auszubrechen. An der Intelligenz wird es mit Gewissheit nicht scheitern. Sondern man muss sich seinen Fähigkeiten bewusst werden! Dann gewinnt man Selbstbewusstsein und traut sich wieder etwas – im Leben zu.