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Legasthene Fachkräfte können für Unternehmen eine Chance sein

Unternehmen sind künftig mehr gefordert, sich legasthenen Fachkräften zu widmen. Bis heute kennen sich wenige Personalabteilungen mit dieser Problematik aus. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es kleine oder mittelständische Unternehmen, Behörden, Sozialverbände oder kirchliche Träger sind – die meisten sind mit der Thematik Legasthenie überfordert. Sie wissen nicht, wie sie mit betroffenen Mitarbeitern umgehen sollen. Unsere Erfahrungen mit Unternehmen sind sehr breit gefächert – von offenem und verständnisvollem Umgang mit diesen Fachleuten bis hin zu Mobbing können wir aus der Praxis berichten.

Viele Probleme entstehen, weil Betroffene am Arbeitsplatz nicht offen mit ihren Lese-Rechtschreibproblemen umgehen. In Einzelfällen gehen Legastheniker mit ihrer Schwäche pragmatisch um und sprechen gleich beim Einstellungsgespräch an, dass sie ein größeres Problem mit der Grammatik und Orthografie haben. Die Reaktionen der zuständigen Personaler dazu sind verschieden. Je nach Branche reagieren die Entscheider positiv, ablehnend oder gar verunsichert auf legasthene Bewerber. Der Fehler ist häufig, dass Unternehmen sich mit einer Krankheit oder gar mit einer Behinderung konfrontiert sehen. In Wirklichkeit ist sie aber eine kompensierbare Lese-Rechtschreibschwäche. Recherchieren Unternehmen und landen bei der Definition der WHO, welche eingefordert hat, die Legasthenie in der ICD-10 Klassifikation als psychisches Störbild einzuordnen, sind sie verunsichert. Leider hat der Bundesverband Legasthenie in den letzten 40 Jahren die Öffentlichkeit nur einseitig aufgeklärt, denn nicht alle Legastheniker sind krank oder seelisch behindert. Die meisten Betroffenen sind psychisch gesund, da sie ein gutes Umfeld und einen stabilen sozialen Hintergrund hatten, welches sie förderte und in welchem sie eine stabile psychische Gesundheit entwickeln konnten. Sozial Benachteiligte sind wesentlich häufiger von seelischen Problemen geplagt, im Vergleich zu Betroffenen aus der sozialen Mittelschicht – so sind unsere Beobachtungen.

Sieht man sich diese komplexen Zusammenhänge an, muss man sich nicht wundern, dass Legastheniker bei ihren Arbeitgebern häufiger Erklärungsnöte haben. Auch wenn es gut ausgebildete Ingenieure, Manager, Wissenschaftler oder andere Spezialisten sind – Personalabteilungen wissen häufig nicht, wie sie mit diesen Mitarbeitern umgehen sollen. Darum werden solche Probleme oft verschwiegen. Unweigerlich wird das zu Konflikten führen – zumindest langfristig. Betroffene werden unweigerlich bei schriftlichen Arbeiten Fehler machen. Das kann bei unverständigen Arbeitgebern nicht selten zu einer Entlassung führen, insbesondere wenn die Probleme nicht angesprochen und bewältigt werden.

Eine Legasthenie lässt sich im Arbeitsalltag selten verbergen, aber sie kann gut im praktischen Arbeitsalltag mit Hilfe von Spezialisten bewältigt werden. Heutzutage gibt es fast keinen Beruf mehr, der von Legasthenikern nicht ausgeübt werden könnte. Es gibt technische Hilfsmittel für die Arbeit am Computer, die die schriftliche Arbeit erleichtert kann. Zuvor müssen Fachleute anhand ihrer berufsbiografischen Entwicklung und den Lese-Rechtschreibproblemen im Berufsalltag beurteilt werden. Dazu gibt es verschiedene berufsbezogene Persönlichkeits-Tests, mit welchen betroffene Fach- und Führungskräfte zusätzlich in ihrer gegenwärtigen Situation eingeschätzt werden können. Dabei werden Führungsfähigkeiten, psychische Konsistenz und viele weitere Bereiche getestet. Dies ermöglicht dann einen passgenauen Coaching- und Trainingsprozess für legasthene Fach- und Führungskräfte.

Nicht selten haben Unternehmen und Institutionen mit Legasthenikern eine wertvolle Bereicherung ihrer Humanen Resources und damit ihrer fachlichen Qualitäten. Diese sind in allen erdenklichen Bereichen und Branchen auffindbar. Nicht selten sind Legastheniker in kreativen, sozialen und innovativen Berufssparten anzutreffen.

Personalabteilungen sollten daher die Fähigkeiten dieser Mitarbeiter als besondere Chance erkennen und sie fördern. Dies ermöglicht Betroffenen eine chancengleiche Inklusion in die Arbeitswelt und ist eine Win-Win-Situation, denn beide Seiten profitieren davon. Dieser Prozess erfordert Geduld und viel Einfühlungsvermögen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass es möglich ist, Legastheniker erfolgreich beruflich zu integrieren.