Can Prenatal Stress Promote the Acquisition of Dyslexia?

Research has not yet conclusively clarified whether or not prenatal stress can promote dyslexia in children. We know from developmental psychology and resilience research that a stressful pregnancy can have an unfavorable impact on children’s development. In the scientific literature. and in interviews we conducted, we found evidence of how severe stress affects child development. These environmental conditions can have a lasting impact on children’s psycho-emotional development and overall learning biography into adulthood. This can eventually foster learning problems such as acquired Dyslexia or concentration problems and social behavior disorders (Schneider, 2012).

Severe negative maternal stress due to partnership conflict, separation from the birth father, or loss of loved ones during pregnancy can pose an increased risk of stress to child development. Approximately 30 percent of families in the United States experience a highly stressful family environment during childhood (Maren Keller, 2020). It is not unlikely that around 25 to 30 percent of children in Germany and German-speaking countries are also born into a difficult family environment.

From our many years of research, we know that prenatal stress affects overall learning development as well as emotional regulation. In individual interviews, we were told that the pregnancy was quite stressful. The following statements support this: „Pregnancy was very stressful because I separated from the child’s father“ or „I had a lot of job stress during pregnancy“ or „The child’s father was an alcoholic and beat me during pregnancy„. We are familiar with such or similar statements about the family situation during the mothers‘ pregnancy. Others conclude very clearly: „My pregnancy was very stressful„. These children then experienced problems in their child development, which varied in severity depending on the situation. For us, such statements are important indications that prenatal stress can have an unfavorable impact on cognitive maturation, emotional regulatory capacity, and language and motor development. This stress may also promote the acquisition of Dyslexia and be seen as an important trigger for it.

Therefore, it can be assumed that prenatal stress can have an unfavorable effect on the children’s written language development. Often, these children also show language and motor impairments.

Many children with acquired Dyslexia (LRS) have experienced prenatal stress with their mothers during pregnancy. We observe these correlations particularly often in children who show very strong difficulties in the acquisition of written language during the early elementary school years. Many of these children, as is common in Saxony, have to attend a special school called an „LRS class“.

In summary, it is likely that prenatal stress has an adverse effect on learning development for children with learning and literacy disabilities in school – although not all causes have yet been identified. There is evidence that prenatal stress promotes learning difficulties in language and literacy acquisition that are related to early childhood development. An important indication of this is the early motor development of affected children. Many children with reading and spelling problems had a less intensive crawling phase, or none at all, which can be an indication of possible problems in later written language acquisition. In addition, there may be difficulties in the psycho-social area, manifested by concentration problems and other behavioral disorders. There is a clear connection here that unfavorable social environmental conditions in the prenatal phase can promote general learning disabilities as well as the acquisition of Dyslexia. However, more research is needed to understand all interactions in detail.

 

Deutsche Übersetzung:

Kann vorgeburtlicher Stress den Erwerb von Lese-Rechtschreib-Schwächen begünstigen?

 

Literature:

Schneider, Lindenberger (2012). ‚7 Prenatal Development and Early Childhood‘, in Developmental Psychology (7th ed.), Beltz, pp. 160-164. Available at: https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/33417-entwicklungspsychologie.html

Maren Keller, (2020) ‚Am tiefsten des U.‘, in Spiegel Wissen Issue 02/2020, Spiegel Verlag, pp. 34-39. Available at: https://magazin.spiegel.de/SPWI/2020/2/

  • pregnancy99 Vorkommen

Wie kann man Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwächen vor seelischen Schäden schützen?

Im November 2020 haben wir uns mit dem Thema beschäftigt, wie man im Erwachsenenalter seelische Wunden der Kindheit aufarbeiten kann. Nun wollen wir der Frage nachgehen, wie sich präventiv vermeiden lässt, dass Kinder mit einer Legasthenie oder LRS zu seelisch verletzten Erwachsenen werden.

Eine Legasthenie kann eine seelische Störung begünstigen. Das wissen wir aus unserer täglichen Arbeit mit Grundschülern bis hin zum Erwachsenenalter. Es liegt nicht nur an der sozialen Herkunft der Betroffenen, sondern vor allem an ihrer Familiensituation. Positive Umweltfaktoren im Familiengefüge können bei legasthenen Kindern zu einem günstigen Verlauf der Bewältigung ihrer Lese-Rechtschreib-Schwäche führen. Dagegen begünstigen negative Faktoren in den Familien mögliche seelische Schäden („Verwundungen der Seele“). Der vom BVL (Bundesverband Legasthenie) vertretenen Definition der Legasthenie als einer psychischen Störung können wir nicht zustimmen, denn sie ist nicht wissenschaftlich belegt. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche führt nicht automatisch zu seelischen Sekundärerkrankungen. Aber die Lebens- und Lernumwelt kann dazu beitragen, dass Betroffene psychische Probleme bekommen, wenn sie keine frühzeitige Hilfe im Kindesalter erhalten. Diese Hilfe sollte eine frühe Diagnostik und eine individuelle Legasthenie-Therapie beinhalten. Dann bestehen im Regelfall gute Chancen, seelische Verwundungen zu verhindern. Diese Kinder können dabei eine bessere psycho-emotionale Regulierung erlernen, um in ihrem Alltag besser mit Widerständen zurecht zu kommen. Genauer gesagt bedeutet das: Kinder benötigen eine frühe Förderung der Resilienz, um mögliche Verwundungen durch die Umwelt abzuwehren. Diese können sich als Abwertung durch die Lehrer oder auch durch die Eltern äußern, die diese Schwierigkeiten nicht nachvollziehen können.

Diese negativen Faktoren können den Erwerb einer LRS begünstigen bzw. den Verlauf einer veranlagten Legasthenie stark beeinflussen. Hat das etwas mit dem Status als bildungsfern oder bildungsnah zu tun? Sicher ist: Sozial benachteiligte Betroffene werden häufiger auch durch andere Stressoren beeinflusst, die sich auf die seelische Entwicklung der Kinder auswirken können. Das hat auch Auswirkungen auf die schriftsprachliche Entwicklung – dieser Fakt ist in der Fachwelt unumstritten. Nicht alle Lernschwierigkeiten haben ihre Ursache in einer familiären Häufung, sondern sie stehen zum Teil auch im Zusammenhang mit einer ungünstigen bzw. in manchen Fällen desolaten familiären Situation. Heute wachsen rund 20 bis 30 Prozent der Kinder in schwierigen Familienverhältnissen auf. Dieser Aspekt ist als Erwerbsfaktor für Lernschwächen wie LRS und andere Störungen im Sozialverhalten wie ADS und ADHS als nicht gering anzusehen.

Es gibt nicht wenige Kinder, die neben ihren Lernschwierigkeiten trotz normaler oder zum Teil hoher Intelligenz auch noch seelische Verwundungen erleben. Dabei kann die soziale Benachteiligung eine wichtige Rolle spielen, denn die Bildungschancen sind in Deutschland ungleich verteilt.

Lernschwächen beim Lesen und Schreiben sind auch ein soziales Thema, das immer wieder bildungspolitisch erwähnt wird, aber leider keine wirkliche Relevanz hat. Mit Sicherheit geht man heute im Rahmen der Inklusionsdebatte toleranter damit um, die Betroffenen werden seltener als „Lernbehinderte“ bezeichnet. Aber wir sind in der Bildungspolitik und Fachwelt weit davon entfernt, die betroffenen Kinder präventiv vor seelischen Schäden zu schützen. In der öffentlichen Wahrnehmung sieht man diese Lernschwächen meistens als Krankheit oder psychische Störung an. Auch die Selbsthilfeverbände haben bisher in der Öffentlichkeit nur ein undeutliches Bild über die Legasthenie vermittelt.

Wie schon erwähnt ist es viel wichtiger, die Kinder trotz ihrer Lernprobleme vor seelischen Schäden zu bewahren. Dieses idealistische Ziel kann kein Gemeinwesen stemmen. Hierfür braucht es viele Initiativen aus der Zivilgesellschaft. Es gibt schon einige Maßnahmen in Kindergärten und Schulen, die beim Thema Förderung einer gesunden seelischen Stabilität ansetzen. Das reicht aber noch nicht aus.

Man sollte auch bei der Erziehung der Kinder in den Familien ansetzen. Eltern sollten ihre Kinder auch bei Lernproblemen so annehmen wie sie sind und sie damit unterstützen. Bei stabilen Familienverhältnissen können die Kinder auch seelisch stabil heranwachsen und die Lernschwächen leichter bewältigt werden.

In den heutigen Industriegesellschaften gibt es viele soziale Probleme. Das sieht man oftmals auch bei Kindern mit LRS. Auch bei Legasthenikern existieren diese Umweltfaktoren. Bei ihnen überwiegt aber der Fakt, dass diese spezielle Lese-Rechtschreib-Schwäche als Veranlagung gehäufter in den Familien auftritt. Es gibt vielfältige Ursachen, weshalb Kinder mit LRS oder Legasthenie keine Förderung in ihrer Kindheit erhalten. Das liegt zum Teil auch an den schwierigen Rahmenbedingungen im Bildungswesen.

Praktische Hinweise

Uns sind wichtige Punkte aufgefallen, wie man Kinder mit einer Legasthenie oder LRS vor seelischen Schäden bewahren kann:

  • Bedingungslose Annahme des Kindes – trotz seiner Lernprobleme ist es wertvoll und gewollt.
  • Bieten Sie dem Kind Geborgenheit und Zuwendung.
  • Zeigen Sie Einfühlungsvermögen gegenüber dem Kind.
  • Besprechen Sie Schulprobleme und Ängste offensiv und klar.
  • Vermeiden Sie, dass Sie Ihr Kind wegen der Probleme abwerten: Du taugst nichts! Du wirst es nie im Leben zu etwas bringen! Du bist dumm… Solche Aussagen sollten Sie unbedingt vermeiden – weil es dem Kind schadet eine gesunde Identität zu entwickeln.
  • Wenn Sie über einen längeren Zeitraum psycho-somatische Probleme wie Einnässen, Schulverweigerung, Wutausbrüche und Ängste bei Ihrem Kind beobachten, dann lassen Sie sich von Fachleuten (Lehrer, Psychologen, Kinderärzte) beraten. Nehmen Sie diese Probleme ernst und lassen Sie sich dabei helfen!
  • Wenn Sie Probleme bei der Erziehung bemerken, suchen Sie eine Beratungsstelle auf.
  • Sind Sie als Elternteil von einer Legasthenie betroffen, sollten Sie ihre Biografie aufarbeiten und die Lernprobleme kompensieren. So können Sie die Schwierigkeiten des Kindes besser nachvollziehen und dem Kind eine gute Stütze sein.

Beherzigen Familien diese Ratschläge, können sie selbst positiv auf die seelische Entwicklung der Kinder einwirken. Bestehen die Probleme weiter, sollten sich die Eltern fachlichen Rat bei Spezialisten suchen. Ein Weg dabei ist eine spezielle lerntherapeutische Einzelförderung, deren Ziele die Förderung einer gesunden psychischen Stabilität und die therapeutische Bewältigung der Probleme beim Lesen und Schreiben sind.

Auf diese Weise kann man den Kindern helfen, frühe Wunden präventiv zu vermeiden oder diese aufzuarbeiten.

 

Kann vorgeburtlicher Stress den Erwerb von Lese-Rechtschreib-Schwächen begünstigen?

In der Forschung ist bisher nicht abschließend geklärt, ob und wie vorgeburtlicher Stress eine Lese-Rechtschreib-Schwäche bei Kindern begünstigen kann. Aus der Entwicklungspsychologie und der Resilienzforschung wissen wir, dass sich eine stressige Schwangerschaft ungünstig auf die Entwicklung der Kinder auswirken kann. In der wissenschaftlichen Literatur und in den von uns geführten Interviews haben wir einige Hinweise gefunden, wie sich starker Stress auf die Kindesentwicklung auswirkt. Diese Umweltbedingungen können Kinder in ihrer psycho-emotionalen Entwicklung und der gesamten Lernbiografie bis in das Erwachsenenalter hinein nachhaltig prägen. Das kann schließlich Lernprobleme wie eine erworbene Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Konzentrationsprobleme und Störungen des Sozialverhaltens begünstigen (Schneider, 2012).

Starker negativer Stress der Mutter aufgrund von partnerschaftlichen Konflikten, der Trennung vom leiblichen Vater oder dem Verlust nahestehender Personen während der Schwangerschaft kann ein erhöhtes Stressrisiko für die kindliche Entwicklung bedeuten. Rund 30 Prozent der Familien in den USA erleben ein sehr stressiges familiäres Umfeld in der Kindheit (Maren Keller, 2020). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch in Deutschland und im deutschsprachigen Raum etwa 25 bis 30 Prozent der Kinder in ein schwieriges familiäres Umfeld hineingeboren werden.

Aus unserer langjährigen Forschung wissen wir, dass sich der vorgeburtliche Stress auf die gesamte Lernentwicklung wie auch auf die emotionale Regulierung auswirkt. In einzelnen Interviews wurde uns berichtet, dass die Schwangerschaft recht stressig war. Folgende Aussagen belegen das: „Die Schwangerschaft war sehr stressig, weil ich mich vom Vater des Kindes getrennt habe“ oder „Ich hatte viel beruflichen Stress während der Schwangerschaft“ oder „Der Vater des Kindes war Alkoholiker und hat mich während der Schwangerschaft geschlagen“. Solche oder gleichartige Aussagen zur familiären Situation während der Schwangerschaft der Mütter sind uns bekannt. Andere schlussfolgern sehr deutlich: „Meine Schwangerschaft war sehr stressig“. Diese Kinder haben dann Probleme in ihrer kindlichen Entwicklung erlebt, die je nach Situation unterschiedlich stark ausgeprägt waren. Für uns sind solche Aussagen wichtige Indizien dafür, dass sich der vorgeburtliche Stress ungünstig auf die kognitive Reifung, die emotionale Regulierungsfähigkeit sowie die sprachliche und motorische Entwicklung auswirken kann. Dieser Stress kann außerdem den Erwerb einer Lese-Rechtschreib-Schwäche begünstigen und als wichtiger Auslöser dafür gesehen werden.

Deshalb ist davon auszugehen, dass sich vorgeburtlicher Stress ungünstig auf die schriftsprachliche Entwicklung der Kinder auswirken kann. Häufig zeigen diese Kinder auch sprachliche und motorische Beeinträchtigungen.

Viele Kinder mit einer erworbenen Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) haben mit ihrer Mutter während der Schwangerschaft vorgeburtlichen Stress erlebt. Diese Zusammenhänge beobachten wir besonders häufig bei Kindern, die während der frühen Grundschulzeit sehr starke Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb aufweisen. Viele dieser Kinder müssen, wie es in Sachsen üblich ist, eine Sonderschule besuchen, die man als „LRS-Klasse“ bezeichnet.

Zusammenfassend kann man sagen: Es ist wahrscheinlich, dass sich vorgeburtlicher Stress bei Kindern mit Lern- und Lese-Rechtschreib-Schwächen ungünstig auf die Lernentwicklung in der Schule auswirkt – auch wenn noch nicht alle Ursachen dafür erkannt wurden. Es gibt Hinweise darauf, dass vorgeburtlicher Stress Lernschwierigkeiten beim Sprach- und Schriftspracherwerb begünstigt, die mit der frühkindlichen Entwicklung im Zusammenhang stehen. Ein wichtiges Indiz dafür ist die frühe motorische Entwicklung der betroffenen Kinder. Viele Kinder mit Lese-Rechtschreib-Problemen hatten keine oder nur eine weniger intensive Krabbelphase, was ein Hinweis auf mögliche Probleme im späteren Schriftspracherwerb sein kann. Dazu können Schwierigkeiten im psycho-sozialen Bereich kommen, die sich durch Konzentrationsprobleme und andere Verhaltensstörungen äußern. Hier zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang, dass ungünstige soziale Umweltbedingungen in der vorgeburtlichen Phase allgemeine Lernschwächen wie auch den Erwerb einer LRS begünstigen können. Es braucht aber auch hier noch mehr Forschung, um alle Wechselwirkungen im Detail zu verstehen.

Literatur:

Schneider, Lindenberger (2012). ‘7 Vorgeburtliche Entwicklung und früheste Kindheit’, in Entwicklungspsychologie (7.Auflage), Beltz, S. 160–164. Verfügbar auf: https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/buecher/produkt_produktdetails/33417-entwicklungspsychologie.html.

Maren Keller, (2020) ‘Am tiefsten des U.’, in Spiegel Wissen Ausgabe 02/2020, Spiegel Verlag, S. 34-39. Verfügbar auf: https://magazin.spiegel.de/SPWI/2020/2/