Wir blicken auf ein spannendes Jahr 2017 zurück

Als gemeinnützige Einrichtung haben wir im Jahr 2017 an unserem Standort im ON-Zentrum in Dresden viele neue Erfahrungen sammeln können.

Schwerpunkt Forschung schreitet voran

Seit Anfang März 2017 hat uns Herr Andreas Haenel als Bundesfreiwilliger bei unserer Arbeit im Büro und der Forschungspraxis unterstützt. So kamen wir mit unseren Studien im Bereich der Legasthenieforschung mit Schwerpunkt qualitative Sozial- und Bildungsforschung einen großen Schritt voran. Alle erhobenen Daten können in den kommenden Jahren bis ca. 2021 ausgewertet und als verschiedene Studien veröffentlicht werden. Bisher konnten über 80 Prozent aller geführten Interviews mit Hilfe unseres Bundesfreiwilligen transkribiert werden. Der Rest folgt bis Ende Februar 2018. Dann sind die Transkriptionsarbeiten vollständig abgeschlossen.

Das ganze Jahr über haben wir uns mit der theoretischen Auswertung unserer Daten beschäftigt. Dies erforderte neben der täglichen Arbeit einige Tage an zusätzlicher ehrenamtlicher Ausarbeitung und Literaturrecherche. Außerdem hatten wir einen regen Austausch mit Fachkollegen, die uns dabei wissenschaftlich begleitet und beraten haben. Nun erwartet uns noch der zeitaufwendigste Teil der Analyse unserer Daten. Aus den Daten werden sich mehrere Studien ergeben. Ein Teil wird sich mit dem Kindes- und Jugendalter befassen, ein anderer Teil betrachtet Erwachsene mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Eine detailliertere Beschreibung unserer Forschungsprojekte erfolgt demnächst und wird unter der Rubrik Forschung auf unserer Webseite platziert.

Die Entwicklung unserer Arbeit

Wie in den letzten Jahren haben wir auch 2017 wieder ein gesundes Wachstum unserer Arbeit erlebt. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir zu einer wichtigen Anlaufstelle für Erwachsene in Deutschland geworden sind. In diesem Jahr waren Betroffene – überwiegend Erwachsene – aus 8 Bundesländern wegen einer persönlichen Beratung und Diagnostik bzw. Berufsberatung in unserer Einrichtung. Dabei wird deutlich, dass es scheinbar im gesamten Bundesgebiet kaum Anlaufstellen für erwachsene Legastheniker und LRS-Betroffene gibt. Für Kinder gibt es in Deutschland eine große Auswahl an Diagnose- und Hilfsangeboten mit sehr unterschiedlicher Qualität und Herangehensweise in der praktischen Hilfe. Die Erwachsenen berichteten uns, dass sie ihre Probleme trotz der Therapiemaßnahmen oder LRS-Nachhilfen selten richtig bewältigt haben. Es waren nur wenige Einzelfälle, die von den Hilfsmaßnahmen in der Kindheit profitierten. In Sachsen gibt es LRS-Klassen, wo wir einige biografische Verläufe sahen, bei denen die Betroffenen ihre Schwäche durch die Sonderbeschulung nicht deutlich kompensieren konnten. Häufig lagen die Lese-Rechtschreib-Leistungen weiterhin unter 10 PR, was auf eine nicht bewältigte Schwäche hindeutet. Das stellt uns viele Fragen, warum die Verbesserungen der Leistungen trotz LRS-Klasse so gering ausfallen. Mehr Hinweise werden uns hoffentlich die Fallvergleiche liefern, wie sich die Biografien der Betroffenen mit unterschiedlichen Hintergründen entwickeln.

Die Anzahl der von uns betreuten Schützlinge ist auf über 30 im Alter zwischen 7 und 44 Jahren angestiegen. Auch für 2018 dürfen wir wieder mit einem Zuwachs rechnen. Wir freuen uns besonders darüber, dass unsere erwachsenen Schützlinge größtenteils die Einzelförderung und das Coaching über eine längere Zeit durchhalten, auch wenn es für nicht wenige eine finanzielle Last bedeutet. Für Erwachsene gibt es keine öffentliche Förderung. Früher hatten wir bei Erwachsenen bis zu 80 Prozent frühzeitige Abbrüche der Förderung, meistens wegen eingeschränktem Durchhaltevermögen und geringen finanziellen Möglichkeiten. Heute liegt diese Zahl bei ca. 20 Prozent. Der größte Teil der Schüler bei uns sind Grundschüler aus Dresden und dem Umland. Der Anteil der jungen Erwachsenen ist angewachsen. Vermutlich ist da das Verständnis gewachsen, etwas für seine berufliche Entwicklung zu tun. Nicht wenige Betroffene sind Fach- und Führungskräfte mit Berufsausbildung oder Hochschulabschluss. Dieses Jahr haben wir nur zwei Schüler mit Schwerpunkt „Lernen“, die auf eine Förderschule für Lernbehinderte gehen oder gegangen sind. Einige Schützlinge sind legasthene Schüler mit überdurchschnittlicher Intelligenz – was man nicht selten bei Legasthenikern antrifft.

Unsere Schützlinge stammen aus den verschiedensten sozialen Schichten. Vom Sozialgeldbezieher bis zur Mittelschicht sowie oberen Mittelschicht sind alle sozialen Schichten bei uns vorhanden. Der größte Teil gehört der Mittelschicht an, welche laut Statistik rund 52 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

In diesem Jahr hatten wir wieder einige Familien mit geringen Einkommen über das Programm „Bildung und Teilhabe“ des Sozialamtes Dresden in der Förderung. Der Stundensatz von 23 Euro deckt dabei nicht unseren Zeit- und Personalaufwand. Um finanzielle Unterstützung über die Eingliederungshilfe des Jugendamts nach § 35a SGB VIII bei bedrohter seelischer Behinderung zu erhalten, ist ein langwieriges Prozedere notwendig. Das wollen wir den Familien und den Betroffenen möglichst ersparen. Unser Bestreben ist es nämlich, dass seelische Behinderungen bei den Betroffenen vermieden werden – und sie nicht das Etikett „seelische Behinderung“ erhalten. Diesen Ansatz lehnen wir aus ethischen Gründen ab, weil er die Würde der betroffenen Schüler verletzt. Außerdem ist dieser Hilfsansatz in einem inklusiven Bildungswesen nicht mehr zeitgemäß und bedarf dringender Reformen.

Im Februar 2018 werden wir unser Büro im ON-Zentrum vergrößern. Dann werden wir zwei Zimmer im Haus C beziehen und neben dem Marburger Bund sitzen. Genauere Details dazu werden wir auf unserer Internetseite veröffentlichen.

Bis zu den Winterferien erhalten unsere Unterstützer und die Familien der Schützlinge unseren LC-Newsletter 2018/1.

 

Ihr Legasthenie-Coaching-Team