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Seit es das Internet gibt, werden viele alternative Ansätze für die Überwindung der Legasthenie und LRS angeboten. Eine dieser Therapieansätze ist die Methode des Pädagogen Nicolay aus München.

In der langjährigen Arbeit mit Betroffenen sind uns schon viele ähnliche Ansätze begegnet, die schnelle Hilfe oder in unseriösen Fällen komplette „Heilung“ der LRS und Legasthenie versprechen. Wir überprüfen angebotene Methoden anhand der angewandten wissenschaftlichen Theorie, also inwiefern sie in der Legasthenieforschung belegt wurden.

Eltern erhalten von uns eine Beurteilung, ob eine Methode als Hilfsansatz empfohlen werden kann oder nicht. In diesem Beitrag wollen wir uns die NRM genauer ansehen. Wir wollen klären, ob die „Nicolay-Recht-Schreib-Methode“ ein alternativer Weg zur Bewältigung der Lese-Recht-Schreibschwierigkeiten bei Betroffenen sein könnte.

Theoretischer Hintergrund der NRM

Der Münchner Pädagoge und Familientherapeut Nicolay veröffentlichte das Buch: „Das Legasthenie-Märchen“, dort beschreibt er seine Methode für Eltern und Lehrer sowie interessierte Therapeuten im Fort- und Weiterbildungsbereich.

Die Nicolay-Rechtschreib-Methode verfügt über keinen wissenschaftlichen Ansatz, wie sich nach gründlicher Recherche herausstellte. Der NRM-Ansatz basiert auf keiner differenzierten LRS- oder Legasthenie-Diagnostik, wie sie in der Fachwelt üblich ist. Sie beruht dagegen auf einer Denk- und Lernstrategie. Wissenschaftlich bewiesene Ursachen aus der Legasthenieforschung (Medizin, Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Linguistik) werden in seiner Theorie nicht berücksichtigt. Dies wäre das erste Argument, welches gegen eine Befürwortung dieses Ansatzes spricht.

Nicolay geht von falschen Denk- und Lernwegen bei Schülern mit LRS und Legasthenie aus. Seiner Ansicht nach müssten die Kinder nur den für sie geeigneten Denkstil (visuell „durch hinsehen“ oder auditiv „durch hinhören“) als Lernmethode trainieren und anwenden. Während der eine Schüler sich ein neues Wort vorsagt und den Klang wie auf einem Tonbandgerät abspeichert, begreift der andere das Wort als Bild und fotografiert es wie mit einer Kamera. Haben die Kinder den passenden Lernstil gefunden, könnten LRS-Betroffene schnell die LRS überwinden. Diese Lernmethode findet man in keinem Sachbuch, das sich mit pädagogischer Förderung beschäftigt. Das wäre damit ein zweites Gegenargument zu dieser Methode.

Laut Nicolay können LRS-Kinder in kurzer Zeit mit wenigen Therapiestunden ihre Schwäche überwinden und die Fehler in Diktaten reduzieren, indem die Kinder den für sie passenden Denkstil als Lernmethode für sich entdecken und anwenden. So eine Trainingsmethode ist ohne eine systematische Lese-Recht-Schreibförderung fraglich. In der Forschung gibt es einige Belege dafür, dass Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwächen eine zielgerichtete Förderung an den Fehlersymptomen benötigen, die sich an sprachwissenschaftlichen Förderkonzepten orientieren. Denn diese haben sich bisher als wirksam bei der Bewältigung einer LRS oder Legasthenie erwiesen. Was ein drittes Argument gegen die NRM als Lernmethode wäre. Die Wirksamkeit dieses Konzeptes ist umstritten.

Sollten Eltern diese Methode als schnelle Alternative nutzen?

Wir teilen die Einschätzung des Bundesverbandes Legasthenie, dass dieser Ansatz als Alternative für eine qualifizierte Förderung ungeeignet ist. Aus der Perspektive der Bildungs- und Sozialforschung ist dieser Ansatz nicht zu empfehlen.

Die NRM ist keine wissenschaftlich überprüfte Methode aus der Legasthenieforschung. Ihre Wirksamkeit bei LRS und Legasthenie ist fraglich. Eltern sollten Methoden mit einfachen Konzepten und schnellen Erfolgschancen immer hinterfragen.

Lese-Rechtschreib-Schwache Kinder benötigen keinen Lernstilwechsel, sondern systematische Förderung

Betroffene brauchen eine wissenschaftlich fundierte Förderdiagnostik mit anschließender Einzelförderung. Sie muss alle Stärken und Schwächen der Kinder berücksichtigen. Dazu gehört, neben einem systematischen pädagogischen Lese-Rechtschreibtraining, eine umfassende Förderung der ganzen Persönlichkeit, um möglichen Problemen im Sozialverhalten präventiv vorzubeugen. Dazu muss die Förderung von Legastheniespezialisten durchgeführt werden.

Nicht selten haben Eltern mit ihren Kindern einen Nachhilfe- und Therapiemarathon durch, da die Förderung nicht das brachte, was vom Anbieter versprochen wurde. Eltern sollten sich die Angebote genauer ansehen, bevor sie einer Lerntherapie oder Förderung zustimmen.

Nicht wenige Angebote im Bereich LRS und Legasthenie, die von kommerziellen Institutionen als Lerntherapie oder LRS-Nachhilfe angeboten werden, sind in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich nicht bewiesen. Dazu gehört unserer Einschätzung nach auch die Nicolay-Rechtschreib-Methode.

Worauf Eltern bei der Anbieterauswahl achten sollten

Eltern sollten die Hilfsangebote sorgfältig aussuchen und abwägen.

Die Fachleute sollten über einen guten Ruf und langjährige Erfahrung verfügen. Sie sollten möglichst in der Forschung und Praxis arbeiten und selbst Betroffene sein. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit und Einbeziehung anderer Fachleute (Ärzte, Psychologen etc.). Manchmal ist es notwendig, dass andere Fachleute das Kind parallel zur Förderung unterstützen. Das ist besser für die gesamte Entwicklung des Kindes, falls es sekundäre Schwierigkeiten bzw. Auffälligkeiten im Verhalten oder psychosomatische Probleme zusätzlich zu den Lernproblemen gibt.

Die Bewältigung der Schwierigkeiten bei Kindern mit einer Legasthenie kann häufig langwierig sein. Eine Förderung dauert in der Regel 18 bis 24 Monate, in einigen Fällen kann sie auch länger dauern. Wenn Anbieter schnelle Lernfortschritte anpreisen, sind sie überwiegend nicht seriös.

Dazu sollten Eltern auf die Mitgliedschaften in Fach- und Berufsverbänden oder auf gemeinnützige Organisationen achten. Eltern sollten sich die „Leitlinien“ oder die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ der Einrichtungen genauer ansehen. Lange Vertragsbindungen sind nicht empfehlenswert, eine Beendigung der Förderung muss ohne Hürden sofort möglich sein. Lange Verträge deuten häufig auf wirtschaftliches Gewinnstreben der Anbieter hin.

Betroffene müssen im Mittelpunkt stehen!

Bei der Hilfe zur Bewältigung der Lernprobleme muss der Betroffene immer im Mittelpunkt stehen! Alles andere ist nicht seriös! Auf diese Standards sollten Eltern achten! So kann die Förderung für Betroffene mit LRS und Legasthenie langfristig gelingen.

Erstveröffentlichung 02.02.2016, überarbeitete Fassung vom 24.08.2016.